Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Auswanderer01

Alois Brei

Aus der Grafschaft nach Amerika

Am Freitag, dem 19. September 1845, verließ Johann Nusse seine Familie in Wietmarschen. Zwei Tage später reiste er mit einer Kutsche von Lingen ab und wiederum zwei Tage später kam er in Bremen an. Dort bestieg er ein Schiff, das am 7. Oktober die Nordsee erreichte und nach Westen segelte. Das Ziel war New Orleans im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika.
Deutsche Emigranten betreten ein Dampfschiff in Hamburg (Deutschland) mit Kurs auf New York - Bild: gemeinfrei
Viele Passagiere wurden seekrank. Auf dem Atlantik sahen die Auswanderer tagelang nur Wasser, nur ab und zu ein anderes Schiff. Das Essen war schlecht, es bestand teilweise aus verdorbenem Fleisch. Es wurde erst besser, nachdem sich einige beim Kapitän beschwert hatten. Da es recht warm war, konnte man nachts auf dem Deck des Schiffes schlafen.

Am 14. November sahen sie zum ersten Mal wieder Land. Die Fahrt dauerte insgesamt 50 Tage, zum Glück gab es in dieser Zeit keinen Sturm. Eine 21jährige Frau und ein zweijähriges Kind starben während der Überfahrt, ihre Leichen wurden im Meer versenkt.

Johann Nusse betrat schließlich in New Orleans amerikanischen Boden. Hier fand er sofort Arbeit. Man schätzt, dass im 19. Jahrhundert etwa fünf Millionen Menschen aus Deutschland auswanderten, die meisten davon aus wirtschaftlichen Gründen. Zu armselig waren die Lebensbedingungen hier und aus Amerika kamen gute Nachrichten. Für andere wiederum waren religiöse Gründe entscheidend.

Die meisten Auswanderer aus der Grafschaft nahmen ihren Weg über New York. Viele zog es in den Staat Michigan. Dort hatten niederländische Auswanderer aus Ommen den Ort "Holland" gegründet. Die ehemaligen Grafschafter ließen sich in der Nähe in Orten nieder, die sie "Graafschap" und "Bentheim" nannten.

Einer der Siedler berichtete, dass die erste Arbeit nach der Ankunft darin bestand, ein Blockhaus zu bauen. Die Arbeit war schwer und ungewohnt, das Werkzeug oft nicht sehr gut. Da Zugtiere fehlten, mussten die schweren Baumstämme zur Baustelle gerollt oder getragen werden. Wenn die erste Blockhütte fertig war, wurde sie zunächst von mehreren Familien bezogen.

Weizen, Kleie und Mais waren die einzige Nahrung. Pfannkuchen aus Kleie wurden über dem Feuer gebacken. Die Zubereitung von Gerichten aus Mais lernten die Auswanderer von indianischen Nachbarn. Die ersten Häuser waren ziemlich undicht. Überall war es kalt und feucht. Viele wurden krank, aber kein Arzt versorgte sie. Es gab viele Todesfälle.

Der christliche Glaube und ihre Frömmigkeit halfen den Menschen, diesen schweren Anfang in einer neuen Welt zu bewältigen. Erst allmählich verbesserte sich die Lage. Mancher fand Arbeit und verdiente etwas Geld. Kühe, Hühner und Schweine wurden angeschafft, Äcker und Weiden rang man der Wildnis ab. Kirchen, Schulen, Häuser und Scheunen wurden gebaut, Gärten mit Obstbäumen und Weinstöcken angelegt.

Langsam wuchsen die kleinen Siedlungen. Und noch lange sprachen die Siedler Plattdeutsch.

S. Harger und L. Lemmen, The County of Bentheim und her emigrants to North America, Holland/Michigan 1990
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