Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Chronik 1933

Alois Brei

Grafschafter Chronik 1932/1933

Oktober 1932

Im Oktober 1932 gibt es in der Grafschaft Bentheim 15 NSDAP-Ortsgruppen. Die mit Abstand stärkste Gruppe entwickelt sich in Uelsen, sie umfasst etwa 400 Mitglieder. In Neuenhaus zählt man 120, in Bentheim ca. 90, in Schüttorf 50 eingeschriebene NSDAP-Mitglieder. In der Niedergrafschaft bestehen zwei SA-Gruppierungen. Dabei umfasst der sogenannte SA-Sturm 5/62 in Neuenhaus 60 Mitglieder. Ihm gehören auch Männer aus Hoogstede, Veldhausen, Grasdorf und Lage an. Leiter dieser SA-Abteilung ist der Uelsener Bauunternehmer Robert Schilling.

November 1932

Bei den Reichstagswahlen erhält die NSDAP im Landkreis Grafschaft Bentheim 44,2 % der Stimmen. In Nordhorn: 34,9 %  / Bentheim 35,3 %  /  Schüttorf 35,1 %  /  Neuenhaus 49,3 %  /  Uelsen 60 %  /   Emlichheim 38,8 %  /   Wietmarschen 0,8 %. Bei den Wahlen im Juli 1932 waren für die NSDAP 48,8 % der Stimmen abgegeben worden.

Februar 1933

Kurz nach dem 30. Januar 1933, dem Tag der "Machtergreifung", veranstaltet die Neuenhauser Ortsgruppe der NSDAP mit ihren Untergliederungen einen Fackelzug. Trotz Sturm und Regens bildet sich ein langer Zug, angeführt von der Neuenhauser Musikkapelle. Am 11. und 12. Februar 1933 veranstaltet die NSDAP zur Vorbereitung der Reichstagswahlen am 5. März 1933 große Kundgebungen und Aufmärsche für die Niedergrafschafter Ortsgruppen Neuenhaus, Veldhausen, Uelsen, Wilsum und Itterbeck, ebenso am 4. März, dem Vorabend der Wahl.

Februar 1933

Der Nordhorner Bürgermeister Henn wird abgesetzt, das Amt übernimmt Dr. Korte, der örtliche Leiter des Nationalsozialistischen Bauernbundes. Die Friedrich-Ebert-Str. wird in Adolf-Hitler-Straße, die Synagogenstraße in Julius-Streicher-Straße umbenannt.

5. März 1933

Bei den Reichstagswahlen erhält die NSDAP im Landkreis Grafschaft Bentheim 53,4 % der Stimmen. In Nordhorn: 42,2 %  / Bentheim 44,7 %  /  Schüttorf 42,8 %  /  Neuenhaus 63,1 %  /  Uelsen 70,3 %  /   Emlichheim 50,2 %  /   Wietmarschen 6 %. Der Neuenhauser Lehrer Ludwig Sager notiert in der Schulchronik: "Bald wehen Hitlerfahnen über den Straßen - nun flatterte das Hakenkreuz auch vor unserer Schule. Anlässlich der geschichtlichen Wende, die der Sieg der nationalen Revolution am 5.3. für die Geschicke Deutschlands bedeutet, fiel am Mittwoch der Unterricht aus., dsgl. am 21. 3. anlässlich der Eröffnung des Reichstages. Durch den Rundfunk erlebte die gesamte Schuljugend diese große Stunde mit, im Fackelzug marschierte auch der jüngste ABC-Schütze mit durch die Straßen zur Wagenhorst, wo ein riesiger Holzstoß in Flammen aufging." Auch in anderen Orten, unter anderem in Lage wurden "Freudenfeuer" angezündet.

3. März 1933

Die "Zeitung und Anzeigenblatt" in Neuenhaus meldet, in Nordhorn seien zwei Funktionäre der KPD, Ehlting und Jacobs, verhaftet und in das Gerichtsgefängnis in Neuenhaus gebracht worden. Andere ebenfalls verhaftete Mitglieder der KPD seien wieder entlassen worden. Hausdurchsuchungen bei KPD-Mitliedern gibt es auch in Schüttorf, Bentheim und Uelsen.

3. März 1933

Die "Schütterer Zeitung" meldet, das Bentheimer Landratsamt habe Mitglieder der SA, der SS und des Stahlhelms zu Hilfspolizisten ernannt.

12. März 1933 in Neuenhaus

Bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 tritt die NSDAP in Neuenhaus nicht mit einer eigenen Liste an, sondern gliedert sich in den "Nationalen Block" ein, einer Liste unter der Leitung des Landwirts Bernhard Vorrink und des Rechtsanwalts Hans Arends. Diese Liste erhält 9 Sitze, die "Beamten- und Angestelltenliste" 1, eine Liste "Arbeitnehmer" der Eisenbahner 2 und eine "Bürgerliste" 3 Sitze. Zum neuen Bürgermeister wird Leonhard Harger gewählt. Er erhält 9, der bisherige Bürgermeister August Brill 6 Stimmen. Bürgermeister Harger stirbt im August 1933. Sein Nachfolger wird der vormalige Bürgermeister August Brill, der bis 1937 im Amt bleibt.

12. März 1933 in Gildehaus

Die Gildehauser Einheitsliste für die Kreistagswahl vom 12. März 1933, angeführt von Bürgermeister Ernst Buermeyer, erhält 628 (= 66,7%) von 942 Stimmen, während die Nationalsozialisten lediglich 258 Unterstützer (= 27,4%) finden. Bei der gleichzeitig abgehaltenen Gemeindewahl erringt die Liste Buermeyers 675 Stimmen und sieben Mandate, während die Nationalsozialisten nur auf 259 Wähler und zwei Sitze kam. Bei der anschließenden Bürgermeisterwahl wird Buermeyer einstimmig mit den Stimmen der beiden nationalsozialistischen Abgeordneten wiedergewählt. Der Bentheimer Landrat Dr. Gerhard Scheffler lehnt jedoch die offizielle Bestätigung der Wahl Buermeyers zum Bürgermeister aufgrund dessen politischer Vergangenheit ab, so dass dieser Ende März 1933 von seinem Amt zurücktritt.

März 1933

Der Kreisleiter der NSDAP, der Arzt Dr. Josef Ständer aus Gildehaus, wird Mitglied im Kreisausschuss sowie im Hannoverschen Provinziallandtag, der ihn zu einem von sechs stellvertretenden Mitgliedern der Provinz Hannover im Preußischen Staatsrat wählt. Im November 1933 wird Ständer in den gleichgeschalteten Reichstag „gewählt“, dem er bis 1945 angehört. Er ist danach bis zum Ende des 2. Weltkriegs der einflussreichste Politiker der Grafschaft.

28. März 1933

Das Gewerkschaftshaus des Deutschen Textilarbeiterverbandes an der in Adolf-Hitler-Str. umbenannten Friedrich-Ebert-Straße wird von einer 16 Mann starken Abteilung der SA besetzt. Die Hakenkreuzfahne wird gehisst, ein Schild "NBO" (Nationalsozialistische Betriebsorganisation) angebracht, der Aktenbestand übernommen. Gewerkschaftssekretär Köhler, der wenig später dazu kommt, wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Beschlagnahme wird vom Magistrat der Stadt gebilligt, das Haus in "Hermann-Göring-Haus" umbenannt. Im April wird die Geschäftsstelle des Zentralverbandes christlicher Gewerkschaften besetzt und geschlossen, Gewerkschaftssekretär Franz Lütkenhues ohne Gehalt beurlaubt. Köhler und Lütkenhues werden in der Folgezeit mehrfach inhaftiert, jeweils nach kurzer Zeit freigelassen, dann wieder inhaftiert.

März 1933

Der Textilarbeiter Ferdinand Kobitzki (1890 - 1944) ist der einzige Vertreter der KPD im neu gewählten Kreistag. Er wird kurz nach der Kreistagswahl in „Schutzhaft“ genommen und in die Amtsgerichtsgefängnisse Neuenhaus und Osnabrück eingeliefert. Bis zum 16. Oktober 1934 wird er in den Konzentrationslagern Moringen, Brandenburg und Oranienburg gefangen gehalten. Nach seiner Haftzeit betätigt er sich weiter politisch im Untergrund. Das Sondergericht Hamm verurteilt ihn schließlich wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe. Nach Strafverbüßung kehrt Kobitzki nach Nordhorn zurück und findet wieder Arbeit bei der Firma Ludwig Povel & Co als Weber. 1944, nach dem missglückten Attentat auf Hitler, wird er gemeinsam mit dem christlichen SPD-nahen Gildehauser Widerstandskämpfer Heinrich Kloppers an seiner Arbeitsstelle verhaftet. Kobitzki wird ins KZ Neuengamme eingeliefert, wo er an den Folgen der Haft am 14. Dezember 1944 stirbt.

28. März 1933

Früher als anderswo geht man in der Grafschaft gegen die jüdischen Mitbürger vor. Die "Bentheimer Zeitung" berichtet an diesem Tage von der Schließung von Geschäften jüdischer Eigentümer: Geschäfte polizeilich geschlossen. Heute morgen wurden in Bentheim das Kaufhaus Neter, die Firma Meier Meyer, das Einheitspreisgeschäft (Ehawe) und die Schlachterei Gossels bis auf weiteres polizeilich geschlossen. Am gleichen Tag melden die "Nordhorner Nachrichten": Sämtliche jüdischen Geschäfte in Nordhorn geschlossen. Über die systematisch in den jüdischen Blättern im Ausland über Deutschland verbreiteten Greuelnachrichten ist die nationale Bürgerschaft Nordhorns verständlicherweise so erbost, dass mit Gewaltmaßnahmen gegen die hiesigen jüdischen Geschäfte gerechnet werden musste. Zum Teil wurden bereits einige Fensterscheiben jüdischer Geschäfte eingeschlagen. Die Polizeiverwaltung hat zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sämtliche jüdischen Geschäfte in Nordhorn heute vormittag geschlossen.

1. April 1933

Die "Zeitung und Anzeigenblatt" ruft auf der Titelseite ganzseitig zum Boykott jüdischer Geschäfte auf. In der Zeitung wird eine Anzeige der NSDAP-Ortsgruppe Neuenhaus veröffentlicht. Darin heißt es: Kauft nicht bei Juden! ... Es handelt sich um eine Abwehraktion, die so lange mit aller Entschiedenheit fortgeführt wird, bis die Auslandsjuden ihre Hetze einstellen. Die Neuenhäuser Bevölkerung und natürlich alle die, die in unserer Stadt einkaufen wollen, kaufen nicht bei Juden. Ab 10 Uhr ist ihnen der Boykott angesagt. Wenn jemand in jüdischen Geschäften einkauft, dann wird man auch hier Fotos von ihm machen, die später daran erinnern, dass es immer noch Leute gab, die ihr Vaterland im Augenblick höchster Not verrieten. Der Verlag Kip, der die "Zeitung und Anzeigenblatt" und die "Nordhorner Nachrichten" herausgibt, teilt mit, dass er keine Anzeigen jüdischer Geschäfte mehr veröffentlichen werde.

1. April 1933

In Neuenhaus dringen zwei Polizisten und fünf SA-Männer in die Wohnung des jüdischen Kaufmanns Alexander Steinburg ein. Sie beschuldigen ihn, ein "evangelisches Leichenbuch" zu besitzen. Man fand nur das Geschäftsbuch eines Spediteurs, in dem auch Fahrten zur Überführung von Leichen eingetragen waren. Anschließend durchsuchte der Trupp das Haus des jüdischen Händlers Sigmund Süskind, weil er angeblich Waffen versteckt habe.

7. April 1933

Das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" tritt in Kraft. Danach sind Beamte, die in das Beamtenverhältnis übernommen waren, "ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene Eignung zu besitzen", aus dem Dienst zu entlassen. Ferner wurden alle Beamte, die nicht arischer Abstammung waren, in den Ruhestand versetzt. Schließlich konnten Beamte, die "nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für den nationalen Staat eintreten", aus dem Dienst entlassen werden.

April 1933

Im Februar 1933 wird in Nordhorn der "Nationale Bauernbund" gegründet. Er wurde geleitet von Dr. Korte, einem gebürtigen Ostfriesen, der seit Februar 1933 auch als Nordhorner Bürgermeister amtiert. Der "Nationale Bauernbund" überzieht die Grafschaft mit einer Reihe von Veranstaltungen und gründet mehrere Ortsgruppen. In der Folge treten ganze Ortsgruppen des Landwirtschaftlichen Kreisvereins zum "Nationalen Bauernbund" über. Derk Brink, einer der bis dahin führenden Vertreter der landwirtschaftlichen Organisationen und Vorsteher in Getelo, wird vom Landrat nach seiner Wiederwahl als Ortsvorsteher mit dem Vorwurf abgesetzt, er sei "Sozialdemokrat. Johann Schütte als bisheriger Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisvereins, legt unter dem Druck von Dr. Korte und dem Kreisleiter Dr. Ständer sein Amt nieder. Im Mai ist die Gleichschaltung der Landwirtschaft abgeschlossen.

 29. April 1933

Die "Zeitung und Anzeigenblatt" in Neuenhaus meldet, dass der jüdische Viehhändler Albert Mendel, 1903 in Bentheim geboren, nach einer Auseinandersetzung mit einem Kunden auf dem Viehmarkt in Veldhausen in "Schutzhaft" genommen worden sei, weil er Landwirte beschwindelt habe. Am 22. August berichtet die Zeitung von einem Freispruch. Am 23. August meldet die "Schüttorfer Zeitung" jedoch, der Haftbefehl gegen Mendel sei zwar aufgehoben, doch die "Schutzhaft" bestehe weiter.

1. Mai 1933

Die Reichsregierung hat den 1. Mai 1933 als "Tag der nationalen Arbeit" bestimmt. Der Tag wird überall mit großem Aufwand begangen. In Lage zum Beispiel ist das Dorf mit frischem Grün  und Hakenkreuzfahnen geschmückt. Um 1/2 9 Uhr versammeln sich die Schulkinder, die SA, der Krieger- und der Schützenverein, um in der Schraderschen Gastwirtschaft die Rundfunkübertragung aus dem Berliner Lustgarten zu hören. Anschließend findet im Lager Busch ein Feldgottesdienst statt. Nachmittags um 3 Uhr versammelt sich die Gemeinde zum Durchzug durchs Dorf. Abends um 8 Uhr hört man die Übertragung vom Tempelhofer Feld mit der Rede Adolf Hitlers. Abschließend gibt es ein Feuerwerk.

1. Mai 1933

Der Landkreis umfasst eine Fläche von 916 Quadratkilometern, die Einwohnerzahl beträgt 60.978. Auf einem Quadratkilometer wohnen 67 Personen. Außer den Städten Nordhorn, Bentheim, Schüttorf und Neuenhaus bestehen 67 selbständige Landgemeinden. Es gibt 4745 landwirtschaftliche Betriebe mit einer Größe von mindestens 0,5 ha, 44 Betriebe bewirtschaften mehr als 100 ha. 

43.546 Personen (71,4 %) gehören der reformierten oder lutherischen Kirche an, 2469 (4,05%) sind altreformiert oder altlutherisch, 13.861 (22,7%) sind römisch-katholisch. 156 Menschen jüdischen Glaubens leben hier, 637 gehören einer anderen Religionsgemeinschaft an. Es bestehen 73 Volksschulen, davon 58 evangelisch und 15 katholisch, sowie vier Mittelschulen und eine Aufbauschule. 32 Volksschulen sind einklassig mit je einem Lehrer und insgesamt 1559 Kindern. Jeder Lehrer an diesen Schulen unterrichtet also ca. 49 Kinder.

19. Mai 1933

Landrat Gerhard Scheffler (1894 - 1977) wird Oberregierungsrat im Reichsinnenministerium. Er hatte das Amt des Landrats seit 1931 inne. Scheffler wird 1940 Oberbürgermeister der Stadt Posen, in der Bundesrepublik wird er einer der wichtigsten Autoren des Sozialhilfegesetzes, das von 1962 bis 2004 die staatliche Unterstützung für hilfebedürftige Mitbürger regelt. Nachfolger als Landrat für die Grafschaft Bentheim wird für kurze Zeit der Regierungsassessor Kallabis aus Meppen, ihm folgt Otto Karl Niemeyer (1891 - 1971).

16. Mai 1933

In Lage tritt der elfköpfige Gemeindeausschuss zusammen. Der bisherige Vorsteher Heinrich van der Kamp, der an der Sitzung teilnimmt, wird abgesetzt und durch das NSDAP-Mitglied Jan Albert Momann ersetzt.

Mai 1933

In Nordhorn wird ein Arbeitsdienstlager für 200 Arbeitsdienstfreiwillige eingerichtet. Auch in Bentheim wird im Jahr darauf ein Arbeitsdienstlager in der ehemaligen Leverkinckschen Stärkefabrik errichtet. Laut Schulchronik der Volksschule Bentheim ist es "jetzt eins der schönst gelegenen Arbeitslager des Gaus Weser-Ems". Am 8. August verkündet Landrat Niemeyer: ab Montag gibt es im Kreis Bentheim keine Arbeitslosen mehr. Die Freilichtbühne Bentheim ist 1933 derart zerfallen, daß die Tribüne im Herbst als Nutzholz und Brennholz verauktioniert wird. Unter staatlicher und städtischer Beihilfe wird im Frühjahr 1934 mit Hilfe des Arbeitsdienstes eine neue, größere Tribüne geschaffen.

 

22. Juni 1933

Kreisleiter Dr. Ständer veranlasst die Verhaftung des jüdischen Bentheimer Kaufmanns Julius Neter, da ihm zugetragen worden sei, Neter habe sich abfällig über die neue Regierung geäußert. Der Kaufmann wurde zunächst im Gerichtsgefängnis Bentheim festgehalten, später dann in das KZ Moringen gebracht.

25. Juni 1933

In Bentheim findet die "Kreistagung der gesamten Parteiorganisation der NSDAP statt. Nach einem Feldgottesdienst um 8 Uhr folgt um 9.30 Uhr ein Vortrag des Theologen Thyssen zur Frage: "Was wollen die Deutschen Christen?". Anschließend tagen die "Amtswalter" der NSDAP in sieben verschiedenen Gaststätten. Um 15 Uhr folgt ein Marsch zum Bad. Dort findet ein dreistündiges Konzert der SA-Gau-Kapelle Oldenburg statt. Um 19.30 Uhr wird der Schlussläufer der großen Staffel des VDA Hannover erwartet, wozu ein Schülersingen mit 200 Kindern vorgesehen ist. Außerdem werden einige Reden gehalten.

28. Juni 1933

Die "Ems-Zeitung" in Papenburg berichtet, in Nordhorn sei eine große Polizeiaktion durchgeführt worden, die sich gegen Kommunisten und Marxisten gerichtet habe. Es sei nach verbotenem Material und nach Waffen gesucht worden. 11 Personen seien festgenommen worden.

1. Juli 1933

Die Kasse des Katholischen Gesellenvereins in Nordhorn wird beschlagnahmt, das Vorstandszimmer versiegelt. 1936 wird das Kolpinghaus enteignet, später an den Reichsarbeitsdienst vermietet, der es im Januar 1940 der Wehrmacht übergibt.

7. Juli 1933

Reichsinnenminister Frick ordnet an, dass alle Mandate, die von der SPD bei den Wahlen am 5. und am 12. März gewonnen wurden, "unwirksam" seien. SPD-Mitglieder werden auch aus allen Ehrenämtern entfernt. An ihre Stelle sollen Ersatzleute treten, die "entsprechend dem Volkswillen nach Überwindung des Parteienstaates berufen" werden.

9. Juli 1933

In Uelsen hatten Brüder aus der Familie Behrens, die von der SA zur KPD übergetreten waren, in SA-Uniform an KPD-Veranstaltungen teilgenommen. Einer der Brüder wird festgenommen, weil der das "Ehrenkleid der SA" besudelt habe.

Juli 1933

Auf dem Neuenhaus Schützenfest äußert sich der Schlosser Gerhard Sloot ablehnend über das NS-Regime. Ein Justizangestellter schnappt diese Äußerungen auf und lässt Sloot aus der Stelle von einem Grenzbeamten und einem SS-Mann verhaften. Drei Wochen ist er im Neuenhaus Gerichtsgefängnis eingesperrt. Danach kommt er ohne Gerichtsverfahren in das KZ Börgermoor. Am 23. Dezember 1933 wird er entlassen.

15. Juli 1933

Nach einem Bericht des Landtratsamtes befinden sich 16 Grafschafter Männer in "Schutzhaft", überwiegend Mitglieder der KPD: H. Uschmann, Franz Lütkenhues (Strafanstalt Lingen), Albert Kleine-Hermelink, J. Piepenpott, G. Schepers, H. Schüring (Gerichtsgefängnis Bentheim), F. Thomazeit (Gerichtsgefängnis Neuenhaus), Adolf Pazdera (Gerichtsgefängnis Münster), O. Blechstadt, Karl Ebeling, Bernhard Engelhard, Gerrit Gerritzen, B. Grönefeld, W. Gusek, J. Junkmann, Ferdinand Kobitzki (KZ Moringen).

19. Juli 1933

Der Kreisleiter der „Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation" (NSBO), Hermann Richter, dringt zusammen mit den NSDAP-Anführern Dietrich Schoemaker, Ferdinand Harger, etlichen SA-Leuten und dem Oberlandjägermeister (Polizist) in das Haus des Kaufmanns und Kommunalpolitikers Heinrich Nyenhuis ein. Man beschuldigt ihn unklarer Steuergeschichten und beschlagnahmt seine Geschäftsbücher. Heinrich Nyenhuis wehrt sich und kann belegen, dass alle Anschuldigungen haltlos sind.

22. Juli 1933

An den Schulen wird der Hitlergruß eingeführt.

23. Juli 1933

Die neue Regierung setzt in den evangelischen Gemeinden Kirchenratswahlen an. Bereits 1932 hatten sich in den evangelischen Landeskirchen Grupperungen der "Deutschen Christen" gebildet. Kreisleiter der "Deutschen Christen" ist der Brandlechter Pfarrer Wilhelm Wiarda. Zu den Wahlen tritt diese Organisation mit einem großen Propagandaaufwand an. In Neuenhaus stellt der Kirchenrat einen mit der örtlichen NSDAP abgestimmten Wahlvorschlag auf, in Nordhorn und in Schüttorf kommt es zu Kampfabstimmungen zwischen verschiedenen Listen.  


In Brandlecht, Nordhorn und Schüttorf erhalten die Listen der "Deutschen Christen" die Mehrheit. Als jedoch im November 1933 die Zentrale Mitgliederversammlung der "Deutschen Christen" im Berliner Sportpalast das Alte Testament und die Paulusbriefe als "jüdisches Machwerk" verwirft, tritt Wilhelm Wiarda aus der Organisation aus. In der Grafschaft wird es danach still um die "Deutschen Christen".

Juli 1933

Der Schlosser Gerhard Sloot wird in ein KZ verschleppt. Er ist seit 1920 Mitglied der SPD und der freien Gewerkschaften. Im Wahlkampf 1933 überklebt er Plakate der NSDAP und hält mit seiner Ablehnung des NS-Staates nicht hinter dem Berg. Sloot sitzt drei Wochen im Neuenhauser Gerichtsgefängnis und wird anschließend ohne Gerichtsverfahren bis zum 23. Dezember 1933 im KZ Börgermoor festgehalten.

August 1933

In Bremen findet das nationalsozialistische "Gebietstreffen Nordsee" statt. Aus der Grafschaft nehmen daran rund 1000 Mitglieder der Hitler-Jugend (HJ) und des Bundes Deutscher Mädel (BDM) teil.

5./6. September 1933

In Berlin tritt die von den "Deutschen Christen" beherrschte Generalsynode der preußischen Landeskirche zusammen. Viele Synodalen erscheinen im Braunhemd der SA. Es wird beschlossen, den staatlichen Arierparagraphen auch auf die Ämter in den Kirchen zu übertragen. Danach kann niemand Pfarrer oder kirchlicher Beamter werden, wer nicht arischer Abstammung ist oder mit einer Person nicht arischer Abstammung verheiratet ist. Soweit es solche Pfarrer oder kirchliche Beamte gibt, sollen sie entlassen werden.


Wenige Tage später gründen Martin Niemöller, Dietrich Bonhoeffer und andere den "Pfarrernotbund", der sich für die bedrohten Amtsbrüder einsetzt. Fünf Monate nach seiner Gründung zählt der Notbund 7036 Mitglieder bei 18.842 Pfarrern insgesamt. Die Zahl der Mitglieder schrumpft bis 1945 auf etwa 3933. Der Notbund bildet das Fundament der "Bekennenden Kirche". Am 22. September wird in Wittenberg der Pfarrer Ludwig Müller zum Reichsbischof ernannt. Die Vertreter der Evangelisch-reformierten Landeskirche der Provinz Hannover stimmen seiner Ernennung nicht zu.


In der reformierten Kirche gibt es ein heftiges Ringen um den rechten Kurs gegenüber dem NS-Staat. Die Mehrheit der Kirchenglieder begrüßt die Machtübernahme durch die NSDAP. Viele reformierte Pastoren treten den Deutschen Christen (DC) bei. Die meisten verlassen diese indes nach der Berliner Mitgliederversammlung der DC im November 1933, auf der das Alte Testament und die Paulusbriefe als jüdische Schriften verworfen wurden. In der Folgezeit kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche zwischen den Anhängern der DC, dem staatsnahen und beschwichtigenden Kurs der Kirchenleitung in Aurich und den Bekenntnispastoren, unter denen Friedrich Middendorff aus Schüttorf eine führende Stellung einnimmt.

7. September 1933

In Nordhorn werden sechs Angehörige der KPD, die an einer "kommunistischen Geheimversammlung" teilgenommen hätten, verhaftet. Die Führer der SPD Karl Stube, Gerhard Sauvagerd, Bernhard Klinker und Paul Köhler müssen sich bis Mitte September täglich bei der Polizei melden. Sie waren vorher für zwei Tage in "Schutzhaft" genommen worden.

12. November 1933

An diesem Tage lässt das Regime eine Volksabstimmung zum Austritt aus dem Völkerbund und eine Reichstagswahl durchführen. Zur Wahl steht nur eine Liste der NSDAP, alle anderen Parteien sind nicht zugelassen. Man kann nur durch ein Kreuz seine Zustimmung ausdrücken, den Wahlzettel ungültig machen oder nicht zur Wahl gehen. Die Wahlbeteiligung in der Grafschaft liegt bei 97,8 %. Bei der "Volksabstimmung" stimmen 93,8 % mit "Ja", 4,2 % mit "Nein", 2 % der Stimmen sind ungültig. 91,2 % der Wählerinnen und Wähler stimmen bei der Wahl der NSDAP-Liste zu, 8,8 % aller Stimmen sind ungültig.


In Nordhorn stimmen 8,5 % ungültig, in Gildehaus 10,4 %, da hier die Ereignisse um den ehemaligen Bürgermeister Buermeyer nachwirken. In Echteler liegt die Wahlbeteiligung nur bei 75,8 %, ungültig sind dort 38,3 % der Stimmen.

9. Dezember 1933

Der altreformierte Pastor Egbertus Kolthoff aus Veldhausen distanziert sich in dem von ihm herausgegebenen "Grenzboten" deutlich vom Nationalsozialismus und ihrem Einfluss in den reformierten Kirchen. Er kritisiert die Verwerfung des Alten Testaments und der Paulusbriefe durch die "Deutschen Christen" scharf und schreibt: "Die Annahme des Arierparagraphen durch die preußischen und einige andere Synoden traf uns und viele andere Christen wie ein schwerer Schlag. Es erschüttert uns tief, dass Prediger und Gemeindebeamte aus ihren Ämtern entfernt, Kirchenmitglieder ausgestoßen oder zu Christen zweiter Ordnung herabgesetzt werden, weil sie nach Geburt oder Herkunft Juden waren."  


Die Altreformierten wählten in den 1920er Jahren überwiegend die Deutschnationale Volkspartei, dann die konservative Partei "Christlich Sozialer Volksdienst". Die NSDAP konnte in ihren Reihen kaum Fuß fassen. Der NSDAP und den staalichen Stellen galten die Altreformierten als unsichere Kantonisten, unter anderem, weil sie intensive Beziehungen in die Niederlande unterhielten.

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