Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Chronik 1936

Alois Brei

Grafschafter Chronik 1936

9. Januar 1936

Landrat Rosenhagen verbietet in einem Schreiben an die altreformierten Pastoren des Landkreises alle Predigten in holländischer Sprache in und außerhalb der Kirchen wie auch bei sonstigen kirchlichen Handlungen. Da es jedoch in den Gemeinden kein Gesangbuch in deutscher Sprache gibt, verhandeln die Pastoren mit dem Landrat und erreichen, dass für eine gewisse Zeit noch niederländisch gesungen werden darf.

März 1936

Da sämtliche Kinder der oberen Jahrgänge in die Hitlerjugend eingetreten sind, wird der Schule in Lage das Recht zum Hissen der HJ-Fahne verliehen. Dieses Recht wird auch  anderen Schulen zugestanden, immer unter der Voraussetzung, dass 90 % aller Kinder Mitglied der Hitlerjugend werden. Die Volksschule Scheerhorn darf die HJ-Fahne bereits am 15. Februar 1935 hissen. Am 10.Dezember 1935 erhält die Burgschule in Nordhorn durch den Bann 148 der Hitlerjugend die Genehmigung zur Führung der HJ-Fahne. 

26. März 1936

Durch Gesetz wird zunächst probeweise in Preußen ein acht Monate dauernden „Landjahr“ zur Pflicht erklärt. Es ist für die Schulentlassenen gedacht und ist eine Ersatzlösung für eine allgemeine Einführung eines neunten Pflichtschuljahres. Die Kinder sollen eine Erziehung nach Grundsätzen des Nationalsozialistischen Staates erhalten. Die Schulchronik in Bimolten berichtet von erheblichen Vorbehalten in der Elternschaft: Tagesgespräch: „Wer muß zum Landjahr?“ Man spricht über kein anderer Thema, behandelt dieses dafür aber desto gründlicher. Die Aufregung unter der Bevölkerung ist sehr groß. Parolen verschiedenster Art erhitzen die Gemüter: „Man will uns unsere Kinder nehmen!“ „Da werden die Kinder der Kirche entfremdet.“ Alle Vorstellungen der Lehrer oder anderer Stellen sind vergebens. Niemand will sein Kind freiwillig hergeben. Alle Kinder sind im Hause unentbehrlich. In einer Versammlung der Eltern soll durch das Los entschieden werden, wer zum Landjahrlager soll. Schließlich müssen alle Kinder, die aus der Schule entlassen werden, zur Untersuchung nach Neuenhaus. Der Herr Landrat Rosenhagen ist persönlich zugegen. ... 8 Monate fahren die Jungen ins Landjahrlager nach Schwalbach im Taunus. sie schreiben begeisterte Briefe von ihren Leben im Lager und ihren Erlebnissen „auf große Fahrt.“ Trotzdem will und will das Mißtrauen nicht schwinden.

29. März 1936

Bei einer erneuten Reichstagswahl, bei der wieder nur eine Liste der NSDAP zur Abstimmung steht, beträgt die Wahlbeteiligung in der Grafschaft 98,2 Prozent. 99,1 Prozent stimmen für die NSDAP, nur 0,9 Prozent der Stimmen sind ungültig. Leere Stimmzettel, bis dahin als ungültig gewertet, werden im ganzen Reich als gültige Stimmen gezählt. Die Neuenhaus "Zeitung und Anzeigenblatt" feiert den "Wahlsieg" mit der Schlagzeile: "Ein Reich - ein Volk - ein Führer".

18. April 1936

Der Schüttorfer Pastor Middendorff wird verhaftet. Hintergrund ist vermutlich seine bekannt regimekritische Haltung allgemein und ein Brief an den Bürgermeister mit Anmerkungen zur Reichstagswahl am 29. März. Kirchmeister Arnold Verwold informiert die Mitglieder des Kirchenrates und teilt mit, der Pastor sei am Morgen von zwei Herren, vermutlich Geheime Staatspolizei, in seiner Wohnung vernommen und anschließend zum weiteren Verhör nach Bentheim mitgenommen worden. Middendorff bleibt 11 Tage im Gerichtsgefängnis des Amtsgericht Bentheim inhaftiert und wird dann ohne Angabe von Gründen wieder freigelassen. Er gerät zunehmend in Gegensatz zum Vorsitzenden des Bezirkskirchenrats, Pastor Horn aus Nordhorn.

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