Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Chronik 1937

Alois Brei

Grafschafter Chronik 1937

18. April 1937

Der Schüttorfer Ortsgruppenleiter Horstmeyer war bereits 1936 aus der reformierten Kirche ausgetreten. Ihm folgen im April 1937 der Leiter der evangelischen Volksschule und drei weitere Lehrer. Die Leitung der reformierten Gemeinde ruft für die Abend des 18. April zu einer Versammlung in der Kirche auf. Es soll über die Kirchenaustritte gesprochen und über eine Resolution abgestimmt werden.


Landrat Rosenhagen verbietet die Versammlung kurz vor ihrem Beginn. Als Pastor Middendorff die Kirche betreten will, hindert ihn der Landrat, der von Polizisten und SA-Männern begleitet wird, daran. Middendorff wird zwangsweise ins Rathaus geführt. Als die Gemeinde davon erfährt, versammelt sich eine tausendköpfige Menschenmenge auf dem Platz vor dem Rathaus, singt zwei Stunden lang Choräle und fordert in Sprechchören die Freilassung des Pastors. Schließlich lässt der Landrat Middendorff gehen.


Am nächsten Tag wird dem Lehrer und Kirchenältesten Johann Heinrich Bergmann in einem Verhör vom Bürgermeister, dem Schulrat und dem Rektor Klünder vorgeworfen, er habe sich an einer staatsfeindlichen Massenkundgebung beteiligt. Wenige Tage später wird Bergmann nach Lingen strafversetzt. Er darf die Grafschaft nicht mehr betreten. Als Bergmann abends zur Bahn geht, um nach Lingen zu fahren, geben ihm etwa 1500 bis 2000 Menschen Geleit und singen Kirchenlieder.


Die NSDAP organisiert in den nächsten Tagen Massenaustritte aus der Reformierten Kirche.

23. April 1937

Bei Pastor Middendorff erscheinen drei Beamte der Staatspolizei. Sie transportieren ihn nach Aurich. Ihm wird mitgeteilt, dass ihm der Aufenthalt in der Provinz Hannover untersagt sei. Auch Pastor Cramer erhält eine Ausweisungsverfügung. Middendorff zieht anschließend zunächst zu seiner Mutter in Bad Godesberg. Er reist durch reformierte Gemeinden und predigt. Weil er weiter öffentlich auftritt, wird er im Juni und Juli 1937 inhaftiert.


Zum 1. April 1938 übernimmt er eine Stelle als Vakanzprediger in Hamburg-Altona. Der Landeskirchenrat in Aurich versagt ihm jegliche Unterstützung und versucht erfolglos zu erreichen, dass Middendorff auf seine Pfarrstelle in Schüttorf verzichtet. Pastor Cramer gibt seine Stelle auf, um die Wahl eines Nachfolgers zu ermöglichen. Middendorff kann erst nach dem Ende der NS-Herrschaft sein Amt in Schüttorf wieder wahrnehmen. Er repräsentiert die reformierte Landeskirche von 1946 bis 1953 als Kirchenpräsident. Später engagiert er sich politisch in der "Deutschen Friedensunion" (DfU).

Juli 1937

Die altreformierte Kirchenzeitung "Der Grenzbote", die vom altreformierten Pastor Kolthoff in Veldhausen herausgegeben wird, erhält wegen ihrer kritischen Berichterstattung über die kirchlichen Zustände in Deutschland eine Verbotsverfügung für ein Vierteljahr. Die Papierzuteilung wird in der Folge stark eingeschränkt, ab Mai 1941 dann ganz eingestellt.

9. August 1937

Die Geheime Staatspolizei Osnabrück bestätigt im Benehmen mit verschiedenen Berliner Behörden:

  1. Verbot der Einfuhr des holländischen Jünglingsblattes (Organ des Bundes altreformierter Jünglingsvereine - AB)
  2. Verbot von Gottesdiensten in holländischer Sprache
  3. Untersagung jeder gottesdienstlichen Handlung ausländischer (niederländischer - AB) Geistlicher in altreformierten Kirchen in der Grafschaft Bentheim
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