Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Finsternis

Alois Brei

Die große Finsternis des Jahres 1783

Es geschah im Sommer 1783. Plötzlich änderte sich das Wetter und in der Natur beobachtete man merkwürdige Vorgänge. Ab dem 24. Juni lag in der Grafschaft und in den benachbarten Niederlanden tagelang ein schwefelartiger Geruch in der Luft, der manchen an verwesenden Fisch erinnerte. Schon an den vorhergehenden Tagen roch es wie Heu, das zu gären beginnt. In der Nacht zum 25. Juni kam ein kalter Nordwind auf.

In den Tagen danach herrschte dichter Nebel, der sich erst im August endgültig verzog. Der Nebel hinterließ einen feuchten, klebrigen Belag. Die Menschen hatten einen üblen Geschmack im Mund, manche litten unter Atembeschwerden. Es regnete nicht, es gab kein Gewitter, tagsüber war es jedoch ziemlich heiß. Die Sonne erschien nur noch als kupferrote Scheibe am Himmel.
Blick vom einer Erhebung des Laki-Kraters in östliche Richtung - Bild: TommyBee (gemeinfrei)
Seife ließ sich in Regenwasser nicht auflösen. Eisen nahm eine grünliche Färbung an. Leinen, das zum Bleichen ausgelegt war, wies bald rostartige Flecken auf, die sich nicht mehr auswaschen ließen.

Gräser und Kräuter verdorrten. Kiefern zeigten sich an manchen Orten widerstandsfähig, an anderen gingen sie ein, Birken wiesen schwere Schäden auf, ebenso zum Beispiel die Petersilie, während Moorrüben nicht betroffen waren. Junge Tannen blieben unversehrt, ältere hingegen verloren alle ihre Nadeln. Lärchen ließen ebenfalls ihre Nadeln fallen, erholten sich jedoch im folgenden Jahr deutlich. Andere Baumarten schienen zunächst nicht beeinträchtigt, ließen aber dann doch Laub und Früchte vorzeitig fallen.

Schwarze und rote Johannisbeeren gingen ein. Im weiteren Verlauf des Jahres gediehen einige Pflanzen allerdings prächtig, vor allem die, die normalerweise reichlich Dünger benötigten. Das Gras auf den Wiesen und Weiden erholte sich schnell. Die zweite Heuernte fiel reichlich aus und danach wuchs mehr Grünfutter als in normalen Jahren. Die Honigernte brachte ungewöhnlich hohe Erträge.

Niemand konnte sich dieses Geschehen erklären. Viele meinten, es werde durch den Honigtau verursacht, der aus Blumen und Blüten austrat. In der Bibel fand man schließlich mehrere Stellen, in denen Gott gebeten wurde, die Plage des Honigtaus abzuwenden.

Die wirkliche Ursache konnte beim damaligen Stand der Nachrichtentechnik niemand wissen: Im Süden Islands war der Vulkan Lakagigar ausgebrochen, der auch als Laki-Krater bekannt ist. Mehrere Monate lang brach Lava aus 140 Vulkankegeln hervor, der Berg stieß gewaltige Mengen Asche und eine hochgiftige Mischung aus Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Schwefel und anderen Stoffen aus, die vom Wind auch zum europäischen Festland getrieben wurden.

In Island wurde die Ernte weitgehend vernichtet, das Vieh verendete qualvoll. Der Vulkanausbruch führte zu einer "Nebelhungersnot", durch die etwa 10 000 Menschen ums Leben kamen und die sich tief in das Gedächtnis der Isländer eingrub.

Auch nach dem Ende des Ausbruchs setzten sich die Auswirkungen auf das Klima fort. Kleine Partikel aus der Aschewolke des Vulkans stiegen in höhere Luftschichten auf und die Sonnenstrahlen drangen nicht wie sonst zur Erde durch. Der folgende Winter war deutlich strenger als normal und im Februar 1784 wurde Mitteleuropa von mehreren schweren Hochwassern betroffen.
Quellen:
-  Zein Stockman, Vor 200 Jahren: Große Finsternis und Luftverpestung im Juni 1782, Jahrbuch des Heimatvereins 1984, die Darstellung beruht auf
- J. van Lier/ J. Tonkens, Hedendaagsche Hisstorie van her Landschap Drenthe, Amsterdam 1792, S. 263 ff
- Revolution und Weltuntergang – die Mythen um Islands Vulkane, in: ZEIT-online, Geschichte, 4/2010, http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2010-04/vulkanausbruch-island/seite-1, undhttp://www.zeit.de/wissen/geschichte/2010-04/vulkanausbruch-island/seite-2

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