Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Frauen in der NS-Zeit

Helmut Lensing

Die Frauen und der Nationalsozialismus in der Grafschaft Bentheim

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei war eine männerdominierte Partei, die in ihrer Propaganda vor 1933 kräftig gegen das aufkommende moderne Frauenbild wetterte, das sich in der Weimarer Republik Bahn brach. In der NS-Sicht gab es für die Frauen lediglich Raum zur Betätigung im häuslichen Bereich als Hüterin der Rasse und von Grund und Boden sowie in der Öffentlichkeit in der Erziehung und Krankenpflege.


Auch in der Grafschaft richtete sich die Agitation der Partei gegen das „Doppelverdienertum“, also gegen die Berufstätigkeit der verheirateten Frau. Obwohl die NS-Bewegung keine Frauen in die Parlamente entsandte, fand sie dennoch unter ihnen viele Anhängerinnen. Um diese zu sammeln, wurde 1931 die „NS-Frauenschaft“ als offizielle Frauenorganisation der NSDAP ins Leben gerufen. Sie propagierte in der Öffentlichkeit das rückwärtsgewandte Frauenbild der Partei und stand seit 1934 unter der Führung der „Reichsfrauenführerin“ Gertrud Scholz-Klink.


Die NS-Frauenschaft war für die erwachsenen Frauen ab 21 Jahre geschaffen, Mädchen und jungen Frauen waren ab dem 10. Lebensjahr in dem „Bund deutscher Mädel“ (BdM) und deren Kinderorganisation „Jungmädelbund“ organisiert. Vom BdM wechselten sie dann in die NS-Frauenschaft.


Die Vorgeschichte

In einem Rückblick auf das zehnjährige Bestehen der Grafschafter NS-Frauenschaft schilderten die „Nordhorner Nachrichten“ am 23. Juni 1939 die Vorgeschichte der Organisation: „In Nordhorn waren es bereits in der Kampfzeit einige tapfere Frauen, die seit Ende 1929 regelmäßig zusammenkamen, um für die wenigen Männer der Bewegung jener Zeit einzustehen, für sie zu schaffen und damit für den Kampf Adolf Hitlers sich einzusetzen, an dem sie ebenso wie die Kämpfer glaubten. Es waren die inzwischen verstorbene Frau H. Hoff, Frau W. Hekke, Frau P. Hoeter und Frau O. Runge. Ferner kamen zu den regelmäßigen Zusammenkünften Frau P. Bold, Frau Richterink-Pestalozzistraße sowie die inzwischen verzogenen Frau H. Schröder und Frau Deimel. Zunächst hielt man Näh-Nachmittage im alten SA-Heim ab … Dann kam man auf dem Hofe des Pg. Hoff zusammen.“ Damit hatten sich hier die Ehefrauen führender Nordhorner Nationalsozialisten versammelt, denn August Schröder, Hindrik Hoff, Paul Bold und August Deimel waren Grafschafter Kreisleiter oder Nordhorner Ortsgruppenleiter der Partei in der Frühphase ihres Bestehens. Wie der Artikel hervorhob, bemühten sich diese Frauen, die große Not der Zeit unter den Parteigenossen zu lindern, ohne dafür aber eine feste Organisation zu bilden.


Der Ausbau der NS-Frauenschaft

Als 1933 nach dem Beginn der Reichskanzlerschaft Hitlers die Mitgliederzahl der NSDAP im Bentheimer Land gewaltig anschwoll, entstanden in den größeren Ortschaften umgehend Gemeinschaften von Frauen, die sich der NSDAP angeschlossen hatten. So bildeten sich in der Anfangszeit der NS-Diktatur Ortsgruppen in Bentheim unter Leitung von Aenne Leverkinck, in Emlichheim unter Hermanna Borggreve, später verheiratete Wieserink, in Gildehaus unter Treuda Hindriksherm und in Schüttorf unter Gesine Karthaus.


Nachdem damit einige Ortsgruppen der NS-Frauenschaft bestanden, ernannte die Gaufrauenschaftsleiterin Annemarie Bast aus Oldenburg im Oktober 1933 die Schüttorfer Fabrikantengattin Anna Edel zur Grafschafter NS-Frauenschaftsführerin. Dies war die eigentliche Geburtsstunde der Kreisorganisation der NS-Frauenschaft im Bentheimer Land. Edel berief umgehend eine Versammlung zur Gründung einer Ortsgruppe in Nordhorn ein, da in der größten Stadt des Kreises noch keine NS-Frauenschaft bestand. Laut der „Schüttorfer Zeitung“ vom 10. November 1933 führte sie dabei zum Zweck der Organisation aus: „Reinhaltung der Rasse, Pflege des deutschen Gemütes und praktische Hilfe am Volksganzen.“


Außerdem sollte hier die Frau Aufklärung über die Politik erhalten, um ihr Wissen an die kommenden Generationen weitergeben zu können. Es traten umgehend rund 80 Frauen der Nordhorner Ortsgruppe bei, wobei Anna Edel die Fabrikantengattin Elisabeth Fastenrath, deren Tochter bereits im Nordhorner BdM führend tätig war, zur Ortsgruppenleiterin ernannte. Frau Hekke und Frau Runge erhielten weitere Vorstandsposten. Am 8. Dezember 1933 folgte die Gründung einer Ortsgruppe in Neuenhaus mit anfänglich 48 Mitgliedern. In Uelsen, wo gleichzeitig eine Ortsgruppengründung vorgenommen wurde, traten rund 20 Frauen in die NS-Frauenschaft ein. In Neuenhaus führten Luise Kip, dann Ilse Gresbrand und Hanna Breysach die Ortsgruppe, in Uelsen zunächst Frau Haas, dann Johanna Blekker und Christel Smoes (Stand 1939). 1934 folgten weitere Ortsgruppen in Laar (16 Gründungsmitglieder), Grasdorf (14), Lage (10) und Veldhausen (25).


In den nächsten Jahren konstituierte Anna Edelweitere Ortsgruppen, etwa im Sommer 1935 in Ohne, wobei sie kurz vor Kriegsausbruch ebenso wie die 1936 in Samern-Suddendorf gegründete Ortsgruppen nur noch als Zelle der Schüttorfer Ortsgruppe fungierte. Die „Schüttorfer Zeitung“ vom 1. August 1935 vermeldete über die Werberede von Anna Edel in Ohne: „Nachdem unser Führer und Reichskanzler Adolf Hitler die deutschen Frauen als Kameradinnen der Männer aufrief zur Mitarbeit am Aufbau des Vaterlandes und an der Gesundung des Volkes, seien unzählige Frauen freudig diesem Rufe gefolgt. In gemeinsamer Arbeit zur Pflege der Volksgemeinschaft, zur Pflege deutscher Sitten und Gebräuche, deutscher Lieder, deutscher Mundarten hätten sich unzählige Frauen zusammengeschlossen in der Nationalsozialistischen Frauenschaft, wo es keine Standesunterschiede, keine Unterschiede der Konfessionen gibt, wo die eine Bundesschwester der anderen Verständnis für Sorgen und Not entgegenbringt, wo die eine der anderen Last trägt“.


Weiterhin lobte Edel die unter der Leitung der NS-Frauenschaft angebotenen Mütterschulungskurse im Kochen und in der Hauswirtschaft, zur Ausbildung in der Säuglings- und Krankenpflege sowie die Erziehungskurse, die in der Grafschaft großen Anklang fänden. 


Im Oktober 1933 wurde neben der NS-Frauenschaft das „Deutsche Frauenwerk“ ins Leben gerufen. Hierin sammelten sich die Mitgliederinnen von gleichgeschalteten nationalistischen und konservativen Frauenverbänden, so aus dem zuvor den Deutschnationalen nahestehendem „Bund Königin Luise“, aus dem „Evangelischen Frauenwerk“ oder der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes. Das Deutsche Frauenwerk unterstand formal nicht der NSDAP, war aber der Partei als betreuter Verband angegliedert. NS-Frauenschaftsleiterin Scholz-Klink war zugleich Leiterin des Deutschen Frauenwerks. Beide Organisationen machten sich vor allem einen Namen durch die gemeinsamen Mütterschulungen, die Millionen von Frauen erreichten. 


Obwohl 1939 auf Reichsebene die NS-Frauenschaft mit rund 2,3 Millionen Anhängerinnen die mitgliederstärkere Organisation war (Deutsches Frauenwerk rund 1,7 Millionen), dominierte im Bentheimer Land das Deutsche Frauenwerk. Dabei ist zu vermuten, dass vor allem Frauen aus den vormaligen evangelischen Verbänden hier stark vertreten waren. In den katholischen Grafschafter Gemeinden Wietmarschen, Engden und Drievorden konnten diese NS-Organisationen keine Anhängerinnen gewinnen. Beide NS-Frauenverbände traten auch mit Großkundgebungen an die Öffentlichkeit, so in Nordhorn vor der „Reichstagswahl“ von 1936, um speziell die Frauen zur „Wahl des Führers“ zu motivieren. Wie auf Reichsebene, so war ebenfalls im Kreis die Leitung von NS-Frauenschaft und Deutsches Frauenwerk in einer Hand vereint. Anna Edels Bezeichnung als Leiterin des Deutschen Frauenwerks lautete „Kreisringführerin“. Auch bei Versammlungen des Deutschen Frauenwerks wurde eifrig die NS-Ideologie verbreitet, wie etwa in einem Beitrag der „Schüttorfer Zeitung“ vom 12. März 1936 über deren Kreistagung zu lesen ist.


In den größeren Ortsgruppen baute die NS-Frauenschaft im Laufe der Zeit eigene Jugendgruppen unter Leitung der Lehrerin Hanna Klotz aus Grasdorf auf. Acht Grafschafter Ortsgruppen besaßen sogar Kindergruppen, wobei die Schüttorfer mit 160 Mädchen die mit Abstand stärkste Gruppe war. In den Jugendgruppen waren junge Frauen ab 21 Jahren versammelt. Die „Schüttorfer Zeitung“ vom 13. Mai 1933 schrieb über die Gründung der Jugendgruppe der Schüttorfer NS-Frauenschaft unter Leitung von Anneliese von Delft zu deren Aufgaben: „Als Hauptbetätigungsarten seien folgende genannt: Ausbildung im Haushalt, Näharbeiten, Erziehungswesen, Gesundheitslehre, Sanitätswesen, turnerische Uebungen und Sport.“


Weitere Tätigkeit von NS-Frauenschaft und Deutsches Frauenwerk

Die „Nordhorner Nachrichten“ vom 24. Juni 1939 geben Auskunft über die Arbeit der NS-Frauenschaft. In den Anfangsjahren der NS-Diktatur lag der Schwerpunkt auf die Milderung der sozialen Not, wobei die Organisation eng mit der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ zusammenarbeitete, was der Verband hier als „Ausdruck wahrer Volksgemeinschaft“ verklärte. Weiterhin sorgte er in den Sommerferien für die Aufnahme notleidender Großstadtkinder oder von Kindern aus dem Sudentenland bei Grafschafter Familien. Zugleich fanden sich die NS-Frauen bei Sammlungen zu karitativen Zwecken ein, ebenfalls bei Arbeiten im Rahmen des „Winterhilfswerks“ (WHW). 


Die Frau des NSDAP-Kreisleiters Dr. Joseph Ständer leitete in der NS-Frauenschaft auf Kreisebene die Abteilung „Volkswirtschaft/Hauswirtschaft“, die durch Kochkurse eine „Bereicherung des Mittagstisches“ und eine optimale Ausnutzung der einheimischen Ressourcen gewährleisten sollte. Seit 1934 boten NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk im Bentheimer Land Mütterschulungskurse an, die bis Mitte 1939 von rund 2700 Teilnehmerinnen besucht worden waren. Neben der Vermittlung von Wissen über Säuglingspflege, Hygiene und dergleichen nutzte die Frauenverbände diese zugleich, die nationalsozialistische Ideologie gerade im Bereich der „Rassenlehre“ zu verbreiten.


Die Grafschafter NS-Frauenschaft hatte neben Kursen zum Kochen und zur Hauswirtschaft noch weitere Lehrgänge im Angebot, etwa zur häuslichen Krankenpflege, zur Erziehung, zur Gestaltung des eigenen Heimes oder zum Volksbrauchtum. Damit erreichte sie eine große Anzahl von Frauen. Die immer präsente NS-Ideologie zeigt sich nicht allein in der Tätigkeit der beiden NS-Frauenverbände, die ganz dem traditionellen Frauenbild verhaftet war und eine deutliche Abkehr von der beginnenden Emanzipation der Frau aus der Zeit der Weimarer Republik darstellte, sondern ist auch deutlich in der Presseberichterstattung über deren Veranstaltungen zu spüren.


So begann etwa der Bericht über die Gründung einer Sportabteilung der Schüttorfer NS-Frauenschaft in der „Schüttorfer Zeitung“ vom 3. Februar 1936 mit der vielsagenden Zeile: „Gesunde Frauen durch Leibesübungen – gesunde Frauen, gesundes Volk“ – eine offensichtliche Anspielung auf die Rassenlehre, die mit darauf abzielte, die Geburt vieler starker und gesunder „arischer“ Kinder zu fördern.


Die öffentliche Geschäftigkeit und Präsenz der NS-Frauenverbände kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen in der NSDAP kaum zu Wort kamen, geschweige denn in der Partei gleichberechtigt an der Macht im Einparteienstaat teilhatten.

Internationales nationalsozialistisches Frauentreffen 1941 in Berlin. Die zweite von links ist die NS-Frauenschaftsführerin Gertrud Scholz-Klink neben einer norwegischen NS-Frauenführerin. Aus: Wikimedia Commons/Bundesarchiv Bild 146-1976-112-03A
Zeitungsbericht über die Gründung einer Jugendgruppe der NS-Frauenschaft Schüttorf.
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