Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Kriegsbeginn

Helmut Lensing

Propagandalügen und der Kriegsbeginn 1939

Nachdem das NS-Regime 1933 die Macht in Deutschland innehatte, setzten bereits nach kurzer Zeit die Planungen ein, die Ziele der NS-Ideologie auch mit Waffengewalt durchzusetzen. Dies galt insbesondere für die Schaffung eines „Großdeutschen Reiches“, die Herstellung einer deutschen Weltmachtstellung, die Schaffung von „Lebensraum im Osten“ und Verwirklichung rassenideologischer Ziele, vor allem die „Vernichtung der Juden“ und die Unterwerfung slawischer Völker.
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Die Grafschaft Bentheim und der Überfall auf die Niederlande 1940

Im öffentlichen Bewusstsein der Bevölkerung der Grafschaft ist vom Kampfgeschehen am Ende des Zweiten Weltkrieges komplett überlagert worden, dass das Bentheimer Land bereits fünf Jahre zuvor Kriegsschauplatz gewesen war.

Mit dem Angriff auf Polen entfachte der Diktator Adolf Hitler am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg, mit dem er seine rassenideologischen Ziele – Eroberung von „Lebensraum“ im Osten und die Ausrottung der jüdischen Bevölkerung – verwirklichen wollte. Briten und Franzosen kamen ihren vertraglichen Beistandsverpflichtungen gegenüber Polen nach und erklärten dem Reich den Krieg.

Jedoch waren sie auf eine militärische Auseinandersetzung mit einer hochgerüsteten aggressiven Macht wie dem „Großdeutschen Reich“ nicht vorbereitet, so dass es an der Westfront auch nach der Besetzung Polens durch das Reich und die Sowjetunion weitgehend ruhig blieb. Allerdings liefen auf deutscher Seite bereits Planungen an, auch im Westen den Krieg offensiv zu führen, also die Niederlande, Belgien und Luxemburg zu besetzen und Frankreich anzugreifen. Nicht zuletzt sollte durch die Einnahme der Benelux-Staaten die eigene strategische Lage gegenüber den beiden Westalliierten verbessert werden.

Ein bereits für November 1939 vorgesehener Angriffstermin wurde mehrfach wegen unzureichenden Vorbereitungen verschoben. Nach der Besetzung Polens war der Krieg äußerlich in eine Phase relativer Ruhe übergegangen. Obwohl bereits Vorbereitungen für einen Angriff auf die westlichen Nachbarn liefen, erhielt schließlich aus strategischen Gründen die Eroberung von Dänemark und Norwegen Vorrang.

Am 9. April 1940 startete der deutsche Angriff im Norden. Dänemark wurde innerhalb eines Tages besetzt; um Norwegen wurde mit britischen Truppen, die dort gleichfalls landen wollten und einige Stunden zu spät kamen, heftig gekämpft. Nach wenigen Tagen gewannen die Deutschen, die die wichtigsten Häfen im Handstreich nehmen konnten, die Oberhand.

Daher konnten nun die Pläne für einen Angriff im Westen vorangetrieben werden. Frankreich war der Hauptgegner, doch weil Hitler die Benelux-Staaten unter anderem als zu schwach einschätzte, um ihre Neutralität gegenüber den Ansprüchen Großbritanniens und Frankreichs tatsächlich auch wahren zu können, wurden nun die Angriffsvorbereitungen forciert.

Entlang der niederländischen Grenze war auf deutscher Seite das Armeeoberkommando 18, auch 18. Armee genannt, aufgestellt worden. Im nördlichen Münsterland und an der hannoverschen Grenze zu den Niederlanden befanden sich Einheiten ihres X. Armee-Korps. Deren Verbände im Emsland und in der Grafschaft Bentheim hatten die Aufgabe, beim Angriffsbefehl Richtung Meppel, Assen und Groningen zu marschieren, um dann flächendeckend den Raum bis zum Ijsselmeer zu besetzen.

Am frühen Morgen des 10. Mai 1940 begann schließlich der deutsche Angriff auf die Benelux-Staaten. Begründet wurde er mit der einseitigen Begünstigung der deutschen Kriegsgegner durch die drei Staaten, so dass deren Neutralität wieder hergestellt werden müsse. Sie sei von den Briten mit ihrer Luftwaffe stets widerstandslos missachtet worden. Nach schweren Kämpfen erreichte die 18. Armee schon am ersten Tag das Ijsselmeer und am 12. Mai die Küste. Nachdem auch Rotterdam erobert und zerstört worden war, verkündete der Rundfunk am 14. Mai 1940 um 20.30 Uhr die Kapitulation der Niederlande. Die Königsfamilie hatte bereits am 13. Mai das Land verlassen. Es begann nun die deutsche Besatzungszeit.

Die Kriegsvorbereitungen in der Grafschaft Bentheim

Nachdem zunächst Truppenverbände, die am Angriff auf Polen teilgenommen hatten, angebliche „Ruhestellungen“ im Emsland bezogen hatten, kamen Anfang 1940 auch Verbände der Wehrmacht in die Grafschaft Bentheim.

Der Schulchronik Scheerhorn aus der Niedergrafschaft ist zu entnehmen: Im Febr. 1940 kommt dann plötzlich viel Leben und Betrieb in die Ortsgruppe und auch nach Scheerhorn und Berge, als eine Schwadron Kavallerie hier einquartiert wird. Fast jedes Haus hat „seinen“ oder „seine“ Soldaten u. ihre Pferde. …. Jung und Alt nahmen natürlich an dem Leben u. Treiben der Soldaten regsten Anteil.

In der Chronik des unweit gelegenen Esche hielt Lehrer Lambert Lahmann fest: Am 13. Febr. 1940 war ganz Esche auf den Beinen, es bekam Einquartierung. Die Munitionskolonne des 8. Art.-Regt. mußte hier untergebracht werden. Alle waren begeistert, jeder wollte einen Soldaten beherbergen. So mußten viele Wünsche unberücksichtigt bleiben.

Ganz besonderes Interesse für das Soldatenleben bekundete auch hier unsere Jugend. Bei den militärischen Übungen auf dem Schulplatze war sie meistens vollzählig als Zuschauer vertreten. Auch unsere Feldgrauen lebten sich hier bald ein und fühlten sich wohl. Und so ist ganz erklärlich, daß der Abschied am 10. Mai, als der Waffengang im Westen seinen Anfang nahm, auf beiden Seiten schwer fiel.

Der Lehrer Heinrich Kip hinterließ in der Schulchronik des Grenzdorfes Lage folgende Notizen: Im Laufe des Monats März bekam die Gemeinde Einquartierung und zwar Mann und Pferde. Die Unterbringung der Pferde machte einige Schwierigkeiten, da auf der Neustadt und in Brecklenkamp wegen der Nähe der holländischen Grenze keine gestallt werden durften. Die Soldaten wurden liebevoll aufgenommen und betreut. Nach ihrem Abzug zeugte noch mancher Brief von dem herzlichen Einvernehmen zwischen den Soldaten und der Lager Bevölkerung.

Der Überfall auf die Niederlande

Die in die Grafschaft verlegten Truppen verbrachten ihre Zeit mit Übungen, die sie auf den Überfall, vor allem auf die rasche Eroberung von Brücken bzw. die schnelle Überquerung von Wasserwegen, vorbereiten sollten.

Lehrer Heinrich Kip schrieb in die Schulchronik von Lage über die Tage des Überfalls auf die Niederlande: Als nach der Besetzung Norwegens … der Krieg im Westen seinen Anfang nahm und unsere Truppen am 10. Mai in Holland einrückten, verließ auch „unsere Einquartierung“ unsern Ort. … In der Frühe des 10. Mai brauste eine große Anzahl Flugzeuge (mindestens 100) über unser Dorf in Richtung Holland. Bis zum Mittag hörten wir dann immer wieder Detonationen von Brückensprengungen und sich immer mehr entfernenden Geschützdonner. Als nach dem nach 5 Tagen beendigten Feldzug gegen Holland auch die hier einquartiert gewesenen Soldaten für einen Tag nach hier zurückkamen, war die Freude der Bevölkerung groß.

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