Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


NS-Presse

Helmut Lensing

Die NS-Presse für die Grafschaft Bentheim

Titelkopf des „Grafschafter Beobachter“ vom Sommer 1933.

Der Wahlforscher Jürgen W. Falter zählt das Presseklima zu einem der Faktoren, die den Aufstieg der NSDAP in den verschiedenen Regionen Deutschlands förderten. Im deutschen Nordwesten zählte die Grafschaft Bentheim zu den Hochburgen der Partei. Die NSDAP erhielt hier zur Reichstagswahl vom Juli 1932 bereits 48,8 Prozent der gültigen Stimmen. Allerdings wissen wir wenig über die Presseorgane der regionalen Nationalsozialisten vor 1933 wie auch danach.

Als offizielles Parteiblatt für Norddeutschland fungierte als erstes der in Hannover erscheinende „Niedersächsische Beobachter“. Jedoch war er im Gau Weser-Ems kaum verbreitet. So schuf Gauleiter Carl Röver 1929 für den Nordwesten ein eigenes Parteiblatt, den „Nordwestdeutschen Freiheitskämpfer“. Herausgegeben wurde er von der Gauleitung in Oldenburg. Leider ist das für die Erforschung der Parteigeschichte des Gaus so wichtige Blatt vor 1933 bis auf wenige Einzelexemplare verschollen. Gelegentlich berichtete es sehr ausführlich aus der Grafschaft, so etwa in der Ausgabe vom 11. November 1932 über die Beerdigung des Schreinermeisters Johann Tückers aus Gildehaus. Der SA-Sturmführer hatte sich auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise aus Verzweifelung über seine wirtschaftliche Not das Leben genommen. Sein Begräbnis nutzten hochrangige NS-Politiker zu heftigen Angriffen gegen das „Weimarer System“.

Mit zunehmendem Wachstum der Partei im Süden des Gaus, also im Osnabrücker Land und in der Grafschaft, wuchs die Unzufriedenheit im Regierungsbezirk Osnabrück über das Oldenburger Parteiorgan, da man in ihm die eigenen Belange nicht genügend gewürdigt sah. So brachte die Osnabrücker NSDAP-Leitung im August 1930 selbst eine nationalsozialistische Wochenzeitung für den Regierungsbezirk Osnabrück heraus, die „NS-Front“. Das eigenmächtige Vorgehen der Osnabrücker NSDAP-Bezirksleitung erboste allerdings Gauleiter Carl Röver, der dafür sorgte, dass die „NS-Front“ bald wieder eingestellt werden musste. Wie lange das Blatt existierte, ist nicht bekannt, da noch kein Exemplar ausfindig gemacht werden konnte. Seine Existenz hat jedoch Niederschlag in Akten und in der gegnerischen Presse gefunden.

Das Jahr 1932 war geprägt von Wahlen. Im Frühjahr lagen die beiden Urnengänge für die Reichspräsidentenwahl und die Wahl des Preußischen Landtags an, hinzu kamen später noch zwei Reichstagswahlen. Um die Agitation der Partei zu intensivieren, rief der neue Osnabrücker NSDAP-Bezirksvorsitzende Hans Gronewald, später Ehrenbürger von Nordhorn, Mitte April 1932 wiederum ein Parteiorgan für seinen Bezirk ins Leben. 

Unter dem Namen „Das neue Preußen. Kampfzeitung der N.S.D.A.P. (Hitler-Bewegung) Bezirk Osnabrück“ sollte es der Agitation der Partei auch im Bentheimer Land noch stärkeren Schwung verleihen. Zwar war die Oldenburger Gauleitung darüber erneut wenig begeistert, doch bevor Gauleiter Carl Röver reagieren konnte, hatten die staatlichen Behörden bereits Fakten geschaffen. Wegen des aggressiven Kurses des Blattes gegen die staatlichen Institutionen und Repräsentanten verbot der Oberpräsident in Hannover kurz nach seinem Erscheinen das Blatt gleich für etliche Tage. Da von dieser NS-Hetzschrift offenbar nur ein Exemplar überliefert ist, kann nicht gesagt werden, ob es danach erneut erschien und wie lange das Blatt überhaupt existierte.

Dauerhafter und wesentlich erfolgreicher war dann eine andere Initiative. Die auflagenstarke bekannte rechtsliberale und kulturprotestantische „Osnabrücker Zeitung“ aus dem Verlag Kisling schwenkte im Frühjahr 1932 von der „Deutschen Volkspartei“ zur NSDAP über. Diese Zeitung, die vom gehobenen evangelischen Bürgertum im Bentheimer Land bezogen wurde, fungierte seitdem, so die Einschätzung von Gerd Steinwascher in seinem Beitrag zur Osnabrücker Stadtgeschichte als wichtiger Milieuöffner für die NSDAP in Osnabrück, was für die Grafschaft wohl gleichfalls zutreffen wird. 

Die Hinwendung zu einer als staatsfeindlich beobachteten Partei brachte dem Blatt als offizielles Verlautbarungsorgan der Stadt Osnabrück einige Probleme. So drohte der Zeitung zeitweilig ein befristetes Verbot. Um dagegen gewappnet zu sein, schuf die „Osnabrücker Zeitung“ zwei Nebenausgaben, den „Grafschafter Beobachter“ und den „Emsländer Beobachter“. Wie die Namen schon verdeutlichen, verstanden sich diese Blätter als entschiedene NS-Organe, waren aber gleichwohl keine parteiamtlichen Zeitungen und unterstanden trotz der Mitarbeit führender Nationalsozialisten deshalb nicht der Oldenburger Gauleitung, sondern dem Verlag Kisling. 

Während im Bentheimer Land der „Grafschafter Beobachter“ ökonomisch erfolgreich war, kämpfte dessen emsländisches Pendant immer mit Auflagen- und Akzeptanzproblemen. Bisher konnte vom „Emsländer Beobachter“ (auch „Emsländischer Beobachter“ genannt) nicht ein einziges Exemplar ausfindig gemacht werden. Auch der „Grafschafter Beobachter“ ist mit Ausnahme von einigen Einzelexemplaren ansonsten verschollen. 

Der allgemeinpolitische und wirtschaftliche Teil des Blatts kam von der „Osnabrücker Zeitung“, während offenbar zunächst die Pressewarte der NSDAP-Ortsgruppen für Berichte aus dem Bentheimer Land sorgten. Spätestens im Sommer 1933 besaß das NS-Blatt einen eigenen festen Lokalredakteur in Nordhorn, Albert Wolkenhauer, sowie Agenturen in Bentheim, Emlichheim, Gildehaus, Neuenhaus, Schüttorf und Uelsen. Untertitel war seinerzeit: „Nationales Blatt für Bentheim, Nordhorn, Schüttorf, Neuenhaus, Uelsen und Umgebung. Ausgabe der Osnabrücker Zeitung“. Inzwischen erschienen im „Grafschafter Beobachter“ bereits die amtlichen Bekanntmachungen des Landkreises, was wirtschaftliche Vorteile brachte.

Der Erfolg dieser Zeitung sowie die steigende Zahl der NSDAP-Wähler ließ die beiden Zeitungen des Neuenhauser Verlages Kip, die protestantisch-konservativen „Nordhorner Nachrichten“ und die „Zeitung und Anzeigeblatt“, weiter nach rechts rücken. Der Kreispropagandawart der NSDAP, ein Emlichheimer, fungierte daher beispielsweise als Korrespondent für den Emlichheimer Raum und konnte dadurch ungefiltert NS-Propagandaartikel in den Kipschen Zeitungen veröffentlichen. Die deutschnationale „Grafschafter Wochen-Rundschau“ aus dem Nordhorner Verlag Engelbert Pötters rückte ebenfalls weiter nach rechts und bezog Stellung gegen das „Weimarer System“.
Wie lange der „Grafschafter Beobachter“ existierte, ist nicht bekannt. 

Die letzte überlieferte Ausgabe stammt vom März 1936. Nun war der Titel des Stammblattes „Osnabrücker Zeitung“ in den Kopf des Blattes nach oben gerutscht. Darunter ist zu lesen: „Tageszeitung für nationalsozialistische Weltanschauung im Kreise Grafschaft Bentheim“. Das Büro in der Nordhorner Hauptstraße leitete inzwischen ein Georg Paul, ein zweites befand sich in Neuenhaus unter Leitung von D. Harmelink.

Als letztes NS-Presseorgan für die Grafschaft ist der NSDAP-Kriegsbrief zu nennen. Unter dem Namen „Front und Heimat – Im Gleichschritt“ erstellte die Grafschafter NSDAP-Kreisleitung ab 1940 in unregelmäßigen Abständen einen zeitungsartig erstellten Kriegsbrief. Dieser brachten den Soldaten an der Front Nachrichten in Wort und Bild über die Grafschaft. Die einzelnen NSDAP-Ortsgruppen, manchmal auch Parteigliederungen wie die NS-Frauenschaft, informierten die Soldaten etwa darüber, was in ihrer jeweiligen Ortsgruppe wie in der Gemeinde seit der letzten Ausgabe geschehen war – gerade für das Innenleben der Partei im Krieg und für die Erforschung der propagandistischen Bearbeitung der Soldaten sowie für das Grafschafter Alltagsleben im Krieg eine wichtige Quelle. Leider sind auch hier bislang lange nicht alle Ausgaben bekannt.

Literatur:
Lensing, Helmut: Der Zweite Weltkrieg in der Grafschaft Bentheim und im Lingener Land – Heimat und Front im Spiegel der Kriegsbriefe der Grafschafter und Lingener NSDAP, in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hrsg.), Emsländische Geschichte, Bd. 17, Haselünne 2009, S. 449-541.
Lensing, Helmut: Die Presse in Nordhorn während des „Dritten Reichs“, in: VHS Landkreis Grafschaft Bentheim/Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hrsg.), Nordhorn im 3. Reich (Geschichtswerkstatt an der Volkshochschule der Stadt Nordhorn für den Landkreis Grafschaft Bentheim, Band 8; Schriftenreihe der Volkshochschule der Stadt Nordhorn, Bd. 14), Haselünne 2016 (3. überarbeitete und deutlich erweiterte Auflage), S. 112-131.

Das Zentrumsorgan Haselünner Zeitung (Nr. 73 vom 10.09.1930) berichtet genüsslich vom Pressestreit innerhalb der NSDAP durch die Herausgabe der „NS-Front“.

Der „Nordwestdeutsche Freiheitskämpfer“ – das parteiamtliche Blatt für den Gau Weser Ems.

„Das neue Preußen“ – ein im April 1932 geschaffene kurzlebige NS-Zeitung für den Regierungsbezirk Osnabrück

Titelkopf des „Grafschafter Beobachter“ von 1936.

Die Titelseite des Grafschafter NSDAP-Kriegsbriefes „Im Gleichschritt“ vom April 1941.

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