Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Podagristen02

Der Reisebericht der drei "Podagristen" aus dem Jahr 1843 - 2. Teil

Von Neuenhaus nach Nordhorn

... Unser Fuhrmann bat um einen Taler Vorschuß ... Als die harte Münze ihren Besitzer gewechselt hatte, erhielt der ‚Hans’ zwei kräftige Peitschenschläge und einen empfindlichen Nachdruck mit dem Peitschenstiel ... Der Vierfüßer zog uns dann eine Weile etwas schneller als bisher durch einen tief ausgefahrenen Sandweg, längs dem einige Herden recht magerer Kühe weideten.

Bald wurde die Turmspitze des Klosters Frenswegen über einem Gehölz sichtbar. In einer Herberge mußten wir zu unserer Limonade recht zweifelhaftes Wasser verwenden, so daß wir unseren Jan Stil um seinen klaren Fusel fast beneideten. Die Klosterpforte stand offen, das viereckige Gebäude sieht sehr verfallen aus; im Lichtraum wächst hohes Gras, der hübsche Brunnen steht sehr einsam in der Umgebung und träumt wohl für immer von vergangenen Zeiten. In den Gängen befinden sich zahlreiche hübsche Glasmalereien, von den Klosterzellen hat man reizende Blicke auf die waldreiche Umgebung, die Büchersammlung liegt ganz ungeordnet wie ein Haufen Torf und ist offenbar ein Paradies der Ratten. Das einzige bestaubte Buch, das wir zur Hand nahmen, war ein hochdeutsches und handelte von Tierkrankheiten. Gefährlich ist’s, auf dem Boden zu gehen.

Die Klosterkirche birgt überraschend schöne Altarstücke, Malereien, Gipsbilder, Beichtstühle, Tauf- und Grabsteine. Die kleine Orgel sieht gleichsam klagend auf die leeren Kirchenräume hinab; einige jämmerliche Töne gab sie von sich, als einer von uns mit Gewalt die Tasten niederdrückte, ... Die Unterhaltung des Klosters scheint für den, den es angeht, mehr eine Last als eine Lust zu sein. Es scheint bedauerlicherweise alles dem Untergang geweiht. Wir atmeten förmlich auf, als wir wieder draußen im rosigen Licht waren; das niederdrückende Bild, das das Kloster in uns zurückgelassen hatte, wurde bald durch den Anblick der stattlichen, zum Hauptwege führenden Baumreihe verwischt. Auch die Kegelbahn der ländlichen Wirtschaft fesselte uns. So etwas gibt es bei uns in Coevorden nicht.

Unser Jan beförderte uns nun bald nach Nordhorn. Der Eindruck, den dieser Ort gewährt, ist zunächst nicht schön. Die Vorstadt, das ‚alte Dorf’, sieht zunächst sogar trübselig aus, das Stadtinnere ist freundlich. Uns fiel die breite Hauptstraße mit großen Holzstapeln zu beiden Seiten auf. Nordhorn ist eine Niederlage für holländischen Zucker, Melis, wie Kandis, ferner für Holz, Wolle, Steine, breitkrämpige weiche Hüte und weite Strümpfe. Wir sahen dort unglaublich große Frachtwagen und ein sieben- bis neuntausend Pfund schweres Ungetüm, das aber kein Weggeld bezahlt, sondern zu dessen Hebung beiträgt, weil es das Pflaster ebnet, nämlich eine Straßenwalze.

In die allgemeine Klage über den gegenwärtigen Handelsstillstand stimmt man hier wohl schwerlich ein; denn wir sahen einen anscheinend dem Kaufmannsstande angehörigen Herrn über die Straße eilen mit drei Schreibfedern hinter jedem Ohr. Der Handel ist hier bedeutend lebhafter als in Neuenhaus, wozu die große Mühle an der Vechte und die Schiffahrt beitragen. Die Nordhorner Häuser haben wie die ihrer Nachbarstadt fast alle an der Straße ein weites Tor. Das Rathaus mit der Schule ist ein hübsches Gebäude, die Besitzung eines Herrn Engelberts aus Amsterdam ist recht ansehnlich. Sie liegt mitten zwischen schönen Gärten. Bekannt ist, daß die Landleute hier sehr abergläubig sind und – trunksüchtig.

Die Besteigung des eigenartigen Turmes ließen wir uns nicht entgehen, und wir hatten eine herrliche Aussicht bis Bentheim über Kornfelder, Flachsäcker, Weiden, Kartoffel- und Buchweizenländereien. Auf dem Kirchhof fiel uns ein mit schwarzem Tuch bedecktes Sarggerippe auf; es soll sechs Wochen lang nach jeder Beerdigung auf fünf Gulden angebracht bleiben. Im ganzen gefiel uns Nordhorn weniger gut als Neuenhaus, doch mag zu diesem Urteil wohl das fragwürdige Butterbrot zu einem Glase schlechten Bieres in einer Wirtschaft beigetragen haben, dessen Name uns entfallen ist. Wir hatten darum nichts dagegen, als Jan Stil zum Aufbruch trieb.

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