Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Weltkrieg-Lage

Alois Brei

Das Dorf Lage im 1. Weltkrieg

In der Schulchronik der Schule Lage finden sich ausführliche Aufzeichnungen der Lehrer Sager und Auf dem Kamp über die Jahre des 1. Weltkrieges. Festgehalten werden Mitteilungen über große und kleine Ereignisse des Dorflebens dieser Jahre, spürbar wird auch, wie die politisch-militärische Entwicklung zu wirtschaftlichem Niedergang und allgemeiner Niedergeschlagenheit führte.

Alles begann im Gefühl nationaler Überheblichkeit und allgemeiner Kriegsbegeisterung. In Lage wurde die Mobilmachung am Sonnabend, dem 1. August 1914, bekannt. Lehrer Sager hält dazu fest:

An diesem ewig denkwürdigen Tage war’s, als der eiserne Reifen geworfen, als vom Lügengerede unserer uns hassenden Feinde der Vorhang fiel und wir vor der nackten, grausigen Wahrheit standen: nur mit ungeheuren Opfern von Gut und Blut gegen Neid und Hass und Lüge mächtiger Feinde war unsere Weltmachtstellung zu verteidigen. ... Sollten sich die germanischen Kaiserreiche an die Wand drücken lassen! Nein und abermals: nein! Aber gegen Treubruch und Ehrlosigkeit prallten die heißesten Bemühungen unseres Kaisers um den Weltfrieden ab.
Diese Postkarte schickte der Soldat G. Nyhuis aus Lage im Februar 1916 an die Familie Bosmann - Bild: DAL
So wurde heuer wieder der Landmann von Pflug und Haus unter die Fahnen gerufen, unser friedliches Volk musste das Schwert ergreifen. ... Bis dann plötzlich der schrille Ruf „Mobil“ die Leute von ihrer emsigen Arbeit auffahren ließ! Das war am Sonnabend abends bald nach ½ 7 Uhr, da ruhten in unserem Dorfe alle Sensen und Arme, und erregte Gruppen standen allerwärts auf der Straße, die mit ernsten Mienen die Lage erörterten.

Wir gehen fehl, wenn wir annehmen, in Liedern, Reden und Hochrufen äußern sich in einem kleinen Dörfchen wie Lage spontane Begeisterung – nur die Tat sollte von dieser zeugen, wie späterhin dargetan werden soll.

Unser Landbewohner, in dessen Gesichtskreis seine Äcker und Weiden, seine Familienangehörigen und all seine ureigensten Interessen zunächst alles fern liegende verdrängen, fragt sich sogleich: „Wer von den Deinen muss mit ins Feld? Ob er wiederkommt?“  Und diese Fragen brachten manchem Mutterauge Tränen und Schluchzen hörte man bei der jungen Gattin, die doch so stolz auf ihren strammen Reservisten gewesen war. … 

Am Donnerstag, dem 5. August, fand in Lage wie in anderen Orten ein Betgottesdienst statt. Die Furcht vor fremden Kraftfahrzeugen, Fliegern und Spionen war groß. Daher wurde eine Bürgerwehr eingerichtet, die an gefährlichen Punkten Wache halten sollte. Vorsteher v. d. Kamp rief sämtliche männliche Personen des Dorfes in der Schule zusammen, um die Aufgaben der Wehr zu erklären und den Männern den Eid abzunehmen. An mehreren Stellen standen seitdem ständig Posten, die in der Nacht zu Doppelposten verstärkt und alle 4 Stunden abgelöst wurden.

Die Posten waren zum Teil mit alten Militärgewehren, zum Teil mit Jagdflinten und Revolvern bewaffnet. Ein Wachhabender stellte nachts die Verbindung zwischen den einzelnen Posten her. Ähnlich war auch in den benachbarten Gemeinden der Militärdienst geregelt. Auf einem Bauernhof in einer Nachbargemeinde ereignete sich in der allgemeinen Kriegshysterie ein schlimmer Unfall. Am 4. August hantierte ein Junge in der Küche mit einem alten Gewehr. Dabei löste sich ein Schuss, der die Mutter tödlich verletzte.

Am 9. August 1914 gründete sich in Lage ein Frauenhilfsverein, der durch Nähen von Hemden und Stricken von Wollsocken die Arbeit des Roten Kreuzes unterstützen sollte. Der Verein wurde von der Frau des Pastors Busse geleitet. Eine Sammlung erbrachte etwa 1.100 Mark und sehr viel Leinen zugunsten des Vereins. Es sollte einmal wöchentlich gemeinsam im Herrenhaus gearbeitet werden.

Am 21. August 1915, trafen die ersten Nachrichten vom Sieg über die Franzosen bei Metz ein. Diese Nachricht löste im Dorf große Begeisterung aus. In der Schulchronik lesen wir:

… War das ein Jubel und Rufen auf den Straßen! Am folgenden Vormittag trafen dann nähere Angaben über die Bedeutung des Sieges ein. Die Schulkinder lagen gerade im Gefecht zwischen Lage und Neuenhaus beim „Judenkirchhof“, als ein Radfahrerbote die Extrablätter brachte: Die Verfolgung des Feindes bringt reiche Früchte, über 10.000 Franzosen gefangen, 50 Geschütze erbeutet. Wir quittierten die Nachricht mit brausendem „Hurra!“ Radfahrer holten die Fahnen herbei, die Mädchen schmückten sich mit Blumen, die Knaben mit grünem Maien, und dann zogen wir mit Gesang ins Dorf ein, von dem uns Glockengeläute entgegen tönte. Nachdem wir vor dem Schulhause halt gemacht hatten, sangen wir – mit Dank zu dem Lenker der Schlachten aufblickend – „Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten!“

Der Vormittagsgottesdienst am 23. 8. gestaltete sich zu einer erhebenden Dankesfeier. Stehend sang die ganze Gemeinde „Nun danket alle Gott!“ Strophe 1 – 3. Da sah man auch in den Augen der ernsten, festesten Männer Tränen, Tränen des Dankes und der Rührung.

Unvergesslich soll uns auch der Montagvormittag bleiben, als morgens um 0 Uhr weitere Siegestelegramme gebracht wurden. Über 150 Geschütze seien allein auf dem linken Flügel – in und bei den Vogesen – erbeutet, im Norden bei Neufchateau in Belgien sei ebenfalls eine französische Armee von Herzog Albrecht v. Württemberg geschlagen, viele Generale gefangen. „Nun lasst die Glocken von Turm zu Turm durchs Land frohlocken im Jubelsturm!“ Und so geschah’s, der Sieg, die Niederlage waren vollständig. Wieder holten die Schulkinder die Fahne hervor, alles sang: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“ Nach dem Umzug durchs Dorf brachte der Vorsitzendes des Kriegervereins, Herr A. Liese, das Kaiserhoch aus, worauf alle entblößten Häupter die Kaiserhymne sangen. Der Unterricht für die folgende Stunde fiel aus.


Die als Soldaten ausgebildeten jungen Männer gehörten dem so genannten „gedienten Landsturm“ an. Sie hatten sich am 15. August in Lingen zu stellen. Im August 1914 wurden aus Lage außerdem 3 Pferde eingezogen, die in Nordhorn abgeliefert werden mussten.

Viele versuchten, Reichsbanknoten los zu werden, weil man deren Wert misstraute. Man hortete Silber- und Goldmünzen, so dass die Geschäfte bald außerstande waren zu wechseln. Andere verweigerten die Annahme von Banknoten. Am 11. September 1914 rückten 18 Mann einer Landsturmkompanie in Lage ein, wurden aber einen Tag später schon wieder abgezogen. Lehrer Sager, der sich gleich in den ersten Kriegstagen freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, erhielt die Mitteilung, dass er vorläufig unabkömmlich bleibe.

Bis zu den Herbstferien hatten die 17 Schulmädchen der Ober- und Mittelstufe 33 Paar Socken und 27 Paar Pulswärmer gestrickt, die sie beim Frauenverein ablieferten. Eine große Sendung Hemden, Laken, Strümpfe gingen an die Abgabestelle in Nordhorn. Am 17. September bekam jeder im Felde stehende Angehörige per Post ein Paar Socken und eine Tafel Schokolade geschickt.

Der Unterricht der Schule „suchte mit den Ereignissen der Zeit in steter Fühlung zu bleiben“. In der Geographie lernten die Kinder etwas über die am Krieg beteiligten Länder und Staaten, in der biblischen Geschichte und im deutschen Geschichtsunterricht verglich der Lehrer den Dreißigjährigen Krieg mit dem jetzigen.

Vom 19. November 1914 bis zum 18. Mai 1915 leistete Lehrer L. Sager Kriegsdienst. Er wurde von Herrn Tibbe aus Neuenhaus und Herrn Arends aus Halle vertreten. Der Unterricht musste auf 18 Stunden wöchentlich für die Oberstufe, auf 6 bis 10 Stunden für die Unterstufe gekürzt werden. Lehrer Sager wurde jedoch aus gesundheitlichen Gründen vom Militärdienst freigestellt und nahm seinen Schuldienst wieder auf.

1915

Im Laufe des Winters 1914/15 waren in Lage Landstürmer einquartiert, meistens 6 – 8 Soldaten, die von der Gastwirtschaft Lavarre aus abwechselnd Patrouillengänge zur Grenze machten. Die Posten sollten vor allem „den außergesetzlichen Lieferverkehr“ mit Holland verhindern. Aus dem Grenzbezirk durften nur offene Postsendungen verschickt werden. Die Briefsendungen wurden in Bentheim geprüft.

Im April 1915 wurden in Brecklenkamp acht Landstürmer einquartiert. Die holländische Regierung hatte die Ausfuhr von Nahrungsmitteln stark eingeschränkt. Mehl, Brot, Fleisch, Hülsenfrüchte konnten die Grenzbewohner nicht mehr aus Holland beziehen, die Überwachung war streng. Am stärksten machte sich der Mangel an Futtermitteln bemerkbar, die Pferde bekamen keinen oder nur noch geringe Mengen Hafer, sie mussten sich meist mit Heu begnügen. Auch die Kühe waren nicht besser dran, denn Lein- und Baumwollsaatmehl waren schlecht und teuer.

Die Schweine bekamen keine Mehlzugabe mehr und wurden „schlank wie Hunde“. Die Hühner erhielten kein Korn mehr, Mais war unerschwinglich teuer, somit waren Eier rar und ihr Preis stieg.

Der Pferdeschmuggel aus Holland nahm stark zu. Die holländische Regierung hatte die Ausfuhr von Pferden untersagt. Ein Nordhorner Händler wusste sich zu helfen und holte dem Colon Bergmann aus dem benachbarten Holländisch Brecklenkamp die Pferde nachts aus dem Stall, legte etwa 600 Mark Anzahlung in die Pferdekrippe und verschwand. Nach zwei Tagen wurden die Pferde in Schüttorf wieder aufgegriffen und zum rechtmäßigen Besitzer zurückgebracht. Weniger wertvolle Pferde kosteten damals 800 – 1.200 Mark, am Handel mit ihnen konnte man 200 – 400 Mark verdienen.

Die Heuernte 1915 war mittelmäßig, das Heu konnte jedoch ohne große Arbeit in kurzer Zeit eingefahren werden. In der Woche vom 21. – 26. Juni 1915 bekamen die Kinder der Oberstufe schon um 9 Uhr frei, um bei der Heuernte behilflich sein zu können. Zur Roggenernte im August erhielten auch einige Soldaten Ernteurlaub, manche kamen direkt aus dem Schützengraben.

Am November 1915 waren in Lage insgesamt 32 Landstürmer einquartiert, die den Grenzverkehr überwachen sollten. Die deutschen und holländischen Bauern, die Ländereien jeweils jenseits der Grenze bewirtschafteten, waren im Besitz von Pässen, die mit ihrer Photographie versehen waren, mit denen sie auch außerhalb der Zollwege die Grenze überschreiten konnten. Für andere Personen war dies streng verboten. Deutsche Gespanne, die in Holland unterwegs waren, mussten bei den holländischen Behörden angemeldet werden

Im Herbst 1915 sammelten die Schulkinder Eicheln und Bucheckern. Vom Erlös von 37 Mark wurden Honigstücke, Marmelade oder Zigarren gekauft und den „Kriegern im Felde“ geschickt.

Die Schulchronik berichtet vom Tod des Ulanen H. H. Klifmann, der in der Garnison in Hannover durch den Hufschlag eines störrischen Pferdes schwer verletzt wurde, an dessen Folgen er am nächsten Morgen verstarb.

Bauern, deren Höfe günstig gelegen waren, profitierten reichlich vom Grenzhandel. Obwohl die Ausfuhr von Lebensmitteln aus Holland verboten war, verdienten sich einige Grenzanwohner damit ihren Lebensunterhalt. Ein deutscher Landstürmer wurde bei illegalen Geschäften von holländischen Beamten angeschossen und starb. Der Wert der Mark war gegenüber dem Gulden auf 42 Cent abgesunken. Eingeführt wurden besonders Schweine, Kühe, Mehl, Reis, Öl, Hafer. Umgekehrt waren Düngemittel in Holland sehr begehrt. Schwieriger, aber profitabel war der Handel mit Pferden. Es wird von einem Pächter berichtet, der an 2 Pferden 2.300 Mark verdiente.

Zur Finanzierung des Krieges gab der Staat so genannte Krieganleihen aus. Auf die 4. Kriegsanleihe zeichneten die Lager Bürger etwa 30.000 Mark. Im Unterricht wies der Lehrer mehrfach auf die Bedeutung und Berechnung der Anleihe hin. An die Eltern wurden Flugblätter verteilt. In persönlichen Bemühungen und Besprechungen setzten sich der Ortsvorsteher und der Ortsgeistliche in den Familien für die Zeichnung der Kriegsanleihe ein. Nachdem die Zeichnungen der Eltern abgeschlossen waren, zeichneten die Schulkinder in deren Namen noch einmal 3.400 Mark. Die Schüler der Schule Lage beteiligten sich an der von der Regierung empfohlenen Sammlung von alten Zeitungen, sie sammelten auch die Flocken des Wollgrases, die in Lazaretten verwendet werden sollten.

1916

Bei der heftigen Offensive bei Verdun wurde im März 1916 der Infanterist Hendrik Völlink schwer verwundet, so dass ihm ein Bein bis zum Knie abgenommen werden musste. Am 8. Mai 1916 fiel der Vizefeldwebel Georg Liese. 

Lehrer Sager erhielt im Juli 1916 zum zweiten Mal eine Einberufung zum Heeresdienst. Zu seiner Vertretung wurde der Lehrer Auf dem Kamp aus Bramsche bei Osnabrück für die Dauer des Krieges nach Lage versetzt. Sager erhielt in Oldenburg eine Ausbildung als Kanonier und diente dann als Gefreiter bei der Flug-Abwehr-Batterie im Großen Hauptquartier in der Stabswache des Kaisers.

Der General und spätere Reichspräsident Hindenburg rief dazu auf, Speck und Fett für die Munitionsarbeiter in den Städten zu spenden. Die Lager Bevölkerung sammelte 150 Pfd. und lieferte sie bei der Kreisfettstelle in Schüttorf ab. Fast täglich sah man ab dem Jahr 1916 in Lage Fremde auf der Dorfstraße. Diese – zumeist Frauen aus dem Ruhrgebiet – gingen in die benachbarte Bauernschaft Halle, um bei einigen Grenzbauern Waren, die über die Grenze gekommen waren, gegen „schwarzes“ Geld zu erstehen. Zu Hause verkauften sie die teuer bezahlten Sachen mit einem erheblichen Aufpreis. Nicht selten geschah es jedoch, dass den Käufern die Waren auf den Landstraßen, in den Zügen oder auf den Bahnhöfen wieder abgenommen wurden.

Nach der Bekanntgabe des uneingeschränkten U-Bootkrieges traf man Vorkehrungen zum Schutz der Grenze gegen die westlichen Nachbarn. Eine kleine Gruppe von Pionieren mit Schüppen, Stacheldraht und Stempelholz legte in der Bauernschaft Halle Schützengräben und Drahtverhaue an. Gelegentlich sah man Offiziere zu Pferde und Mannschaften der in Neuenhaus untergebrachten Minenwerferkompanie und Brückenbaupioniere auch in Lage. Auch Trainkolonnen kamen auf ihren Übungsfahrten mehrere Male durch das Dorf.

Die Ernte des Jahre 1916 blieb unter dem Durchschnitt, besonders die Kartoffelernte. Die Bestände der Landwirte wurden daher wiederholt überprüft. Außer Kartoffeln aßen die Menschen Steckrüben.

1917

Bis zum März 1917 lieferte die Gemeinde Lage 1.300 Zentner Kartoffeln und 150 Zentner Steckrüben ab. Die Bauern hatten außerdem Butter abzugeben. In jeder Woche wurde sie bei einem der Geschäftsleute des Dorfes gesammelt und vom Gemeindediener Segger zur Molkerei nach Veldhausen gebracht. Der Gemeindediener brachte von dort die Butter für die Versorgungsberechtigten wieder mit zurück. Jeder hatte Anspruch auf 65 g wöchentlich. Die Selbstversorger konnten von der erzeugten Buttermenge die ihnen zustehende Menge zurückbehalten. Durchschnittlich lieferte Lage wöchentlich 40 kg Butter ab.

Von der 5. Kriegsanleihe zeichneten die Lager Kinder im Namen ihrer Eltern 800 Mark. An der 6. Kriegsanleihe beteiligten sich die Kinder mit einer Zeichnungssumme von 2.100 Mark, an der 7. mit 2.400 Mark. Außerdem sammelten sie Brennnesseln, Brombeerblätter, Eicheln, Altmetalle und Knochen. Den Erlös von 65 Mark schenkten die Kinder dem Fonds für die Kriegswaisen. In der Zeit von Ostern bis Herbst 1917 fanden 26 Oberhausener Kinder in Lager Familien Aufnahme, einige blieben den ganzen Winter über.

Am 23. Oktober 1917 fiel der Unterricht aus, weil der 70. Geburtstag des Generalfeldmarschalls und späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gefeiert wurde.

Der Winter 1917/18 gab es sehr viel Schnee, zeitweise lag er 30 – 40 cm hoch. Nach der Schneeschmelze wurden weite Gebiete durch Hochwasser überflutet. Die Neustadt und Brecklenkamp waren von Lage vollständig abgeschnitten. Die Schulkinder von dort mussten längere Zeit zu Hause bleiben. Die Grenzwache fuhr auf einem Wagen über den Marsch durch die Fluten. Die Soldaten standen von der Dinkelbrücke bei Bosmann an der Straße entlang bis zur Grenze Posten, das Wachlokal befand sich in der Lavarreschen Wirtschaft. Einige Zeit später gab es erneut Hochwasser.

1918

Das Verhältnis zwischen Deutschen und Holländern war gegen Ende des Krieges wenig freundlich gespannt. Dazu vermerkt die Lager Schulchronik:

Nebenbei ist zu bemerken, dass man das Freundschafts- oder Feindschaftsgefühl der Holländer zu uns am besten draus erkennen kann, dass unsere Nachbarn in dem Falle, dass ihre Zeitungen deutsche Schlappen – draußen oder drinnen – zu berichten wussten, den Deutsche gegenüber, denen Pässe das Überschreiten der Grenze gestattet hatten, sich über alles genau unterrichtet zeigten, die Angelegenheit nicht genügend mit einem leise unterdrückten Freudenton besprechen konnten; in dem Falle aber, dass wir große Erfolge an den Fronten, auf oder unter dem Wasser, in der Luft, in der Heimat auf das Ruhmesblatt unserer Geschichte schreiben konnten, nichts wussten, jeder Unterhaltung darüber auswichen und mit einem Achselzucken oder einer verbissenen Miene den lästigen „Schwätzer“ loszuwerden versuchten.

Die Grenzschützer bauten die an der Straße nach Holland angelegten Schützengräben und Drahtverhaue weiter aus, so dass dort eine ziemlich starke Feldbefestigung mit Unterständen und spanischen Reitern zum Versperren der Straßen entstand.

In den letzten Kriegsmonaten gab es im Gebiet zwischen der niederländischen Grenze und der Ems ständige Personenkontrollen. In dieser Zone durften sich nur Personen aufhalten, die im Besitz eines Ausweises waren. Vor allem auf Bahnhöfen und an der Grenze wurden die Pässe überprüft. Für die Schulkinder stellte der Lehrer Ausweise aus. Die Pässe der Erwachsenen mussten mit einer Photographie versehen sein, besonders die älteren Menschen hatten ihr Bild jedoch noch nie auf einem Stück Papier gesehen. Deshalb wanderten Soldaten mit Fotoapparaten von Dorf zu Dorf, um die Einwohnerschaft gruppenweise aufzunehmen.

Im Jahr 1918 lieferte Lage 900 Zentner Roggen, 1.000 Zentner Kartoffeln und 318 Pfund Speck ab, außerdem die kleinere der beiden Kirchenglocken, die man zu Munition verarbeitete. Vierteljährlich durchgeführte Viehzählungen ergaben, dass sich der Viehbestand von einem zum anderen Male verringerte. Durch den Krieg waren auch die Aufgaben der Gemeindeverwaltungen gewachsen. Der Gemeindevorsteher van der Kamp konnte die laufenden Geschäfte allein nicht erledigen. Der Beigeordnete Griep sorgte für die Unterbringung der Landstürmer und kümmerte sich um die kriegswirtschaftlichen Maßnahmen der Behörden (Zählungen, Bestandserhebungen, Ablieferungen usw.). Kaufmann Johann Bosmann übernahm die Verteilung der Lebensmittelkarten, die Führung des Listenwesens und des Schriftverkehrs der Gemeinde (Berichte, Meldungen, Erhebungen usw.).

Durch den Krieg wurden lebensnotwendige Nahrungsmittel, Kleidungsstücke, Haus- und Ackergeräte, Licht, Brennmaterial knapp und die Preise stiegen. Zwar merkten die Menschen auf dem Lande nicht so viel davon, sie „aßen fast so wie in Friedenszeiten“. Schwierig war jedoch die Beschaffung von Kleidungsstücken für Kinder und besonders von Kohle. In der Schule fiel im Januar 1918 der Unterricht deshalb für 2 Wochen aus. Petroleum war rationiert, so dass in fast allen Häusern wieder die alten Karbidlampen zum Einsatz kamen.

Die Preise für Gegenstände des täglichen Bedarfs hatten sich durch den Krieg enorm erhöht. Die Schulchronik enthält diese Aufstellung:

Preise 1914      Preise 1918

1 Paar Holzschuhe                               1,20 M             4,20 M
1 Schulheft                                         0,10 M             0,25 M
1 Schachtel Streichhölzer                     0,03 M             0,10 M
1 Pfund Butter                                     1,20 M             8,00 M
1 Pfund Tee                                         2,50 M            40,00 M
1 Pfund Mohrrübensamen                     3,30 M            50,00 M
1 Liter Rüböl                                        0,80 M            18,00 M
1 Zentner Roggen                                 8,00 M            40,00 M
1 Pferd                                                700 M             4500 M
1 Kuh                                                  450 M             1400 M

Der hohe Preis für Roggen verführte manchen Bauern dazu, einheimischen Roggen als holländischen auszugeben und teuer an die Aufkäufer abzusetzen. Für die Schmuggelwaren stiegen die Preise noch weiter. Beispielsweise zahlte man für 1 Pfd. dünnen, stark durchfeuchteten Speck 9 M – 10,50 M (vor dem Krieg 0,80 M). Weil die Lebensmittelvorräte Hollands auch stark zusammenschrumpften, kamen Tee, Kakao, Kaffee, Käse, Seife usw. fast gar nicht mehr über die Grenze. Im Sommer 1918 bekam man für 1 Mark nur noch 30 Cent, statt 60 Cent wie zu Kriegsbeginn.

Das Denkmal gegenüber der Lager Kirche nennt die Namen von 13 jungen Männern aus Lage, die in diesem Weltkrieg ihr Leben ließen. Allein drei Söhne der Familie v. d. Bosch waren unter den Opfern. Doch als Opfer sah man sie nicht. Das im Jahr 1926 aufgestellt Denkmal spricht davon, dass die jungen Männer den „Heldentod für’s Vaterland“ gestorben seien. Erst nach einem weiteren schrecklichen Krieg änderte sich diese Sicht der Dinge.

Lehrer Sager übernahm im November 1918 wieder den Unterricht. Sein bisheriger Vertreter Auf der Kamp kehrte nach Bramsche zurück. Die anfängliche Kriegsbegeisterung war längst in maßlose Enttäuschung umgeschlagen. In der nun wieder von ihm geführten Schulchronik beschrieb Sager das Ende des 1. Weltkrieges so:

Der Ausbruch der Revolution und der Abschluss des Waffenstillstandes brachten die deutschen Streiter in die Heimat zurück, von recht gemischten Gefühlen war der Einzelne wie die Allgemeinheit erfüllt: Freude des Wiedersehens, des Wiederhabens und tiefe nationale Trauer über Deutschlands Unglück. Unbesiegt, sind wir nun der Rache des Feindes preisgegeben. ... Bange Sorge brachte über die Angehörigen der Oktober, Aufruhr, Empörung, Bürgerkrieg (Bolschewismus) verlegten unseren zurückkehrenden Truppen vielfach den Weg. Erst im Januar bzw. Februar kamen von dort die letzten Lager Krieger zurück.

Quelle: Schulchronik der Volksschule Lage
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